GIPFELRUF
Folge 49: Leander Beil

Leander Beil (*1992)

  • Lyriker aus München
  • Leander Beil lebt in München und studiert dort Geschichte sowie Kultur des Orients in München.

In loser Folge stellt Franziska Röchter für dasgedichtblog die Teilnehmer des »Internationalen Gipfeltreffens der Poesie« am 23.10.2012 in München vor. Sie sprach mit Gipfelteilnehmer Leander Beil über sommerliche Frische und Erfahrungen aus einer »ganz anderen Welt«.

»Zeitdruck und Lyrik schließen sich für mich aus.«
Leander Beil

dasgedichtblog: Leander, du bist der jüngste wirklich ernsthafte Lyriker, der mir begegnet ist. Schon vor zwei Jahren gab es von dir Videos auf Youtube, wo du auf hochkarätigen Veranstaltungen deine Gedichte vortrugst, etwa beim Ökumenischen Kirchentag in München im Mai 2010. Studierst du jetzt das Naheliegende, also Germanistik, Literaturwissenschaft oder ähnliches?

Leander Beil: Nein, ich sah mich nicht wirklich dafür geeignet, da sich mein Interesse für Literatur hauptsächlich auf Lyrik beschränkt. Ich studiere Geschichte sowie Kultur des Orients. Somit bin ich – genau wie meine Eltern – auch auf der geisteswissenschaftlichen Schiene gelandet.

dasgedichtblog: Du bist als Kind nach Brasilien gezogen. Seit wann lebst du wieder in Deutschland?

Leander Beil: Ich bin mit 7 Jahren nach São Paulo gezogen und mit 12 wieder nach München zurückgekehrt. Es war eine tolle Erfahrung. Anfangs war es natürlich für einen eher schüchternen jungen Deutschen schwierig. Aber die Brasilianer sind sehr offen, das hat mir geholfen und hilft mir immer noch!

dasgedichtblog: Inwieweit glaubst du, dass dich dein früher Aufenthalt in einem anderen Land geprägt hat?

Leander Beil: Ich denke, dass es immer etwas anderes ist, wenn man in einer so großen Stadt aufwächst – São Paulo hat 20 Millionen Einwohner – und auch gewisse Ausmaße von Elend gesehen hat, die einen nicht mehr so schnell loslassen. Auch in der Lyrik prägt mich das mit Sicherheit. Die Erfahrung einer ›ganz anderen Welt‹ fließt, soweit ich es selbst beurteilen kann, bei mir häufig mit ein.

dasgedichtblog: Wie kommt es, dass du dich schon so früh für Lyrik und auch ihren öffentlichen Vortrag interessierst?

Leander Beil: Das ist eine recht eigenwillige Geschichte. Als ich mit 12 begann, eigene Lieder zu komponieren, schrieb ich logischerweise auch die Texte dazu. Irgendwann wurde mir klar, dass ich nicht unbedingt nur für Songs Texte schreiben will. Und dann kamen natürlich mein Vater und meine Mutter mit ins Spiel, die mich unterstützten, meine Texte lasen, so unbeholfen sie auch waren. Das riesige Arsenal an Lyrik, das mir zuhause zur Verfügung steht, inspirierte mich auf vielfache Weise.

dasgedichtblog: Beschäftigst du dich in deiner Freizeit auch mit Gedichten anderer Autoren? Welche sind deine Lieblingslyriker?

Leander Beil: Zum Beispiel Tomas Tranströmer, Mark Strand, Sarah Manguso, Lars Gustafsson, Derek Walcott. Tolle Namen und tolle Autoren. Besonders Ersterer war und ist wohl eine meiner wichtigsten Inspirationsquellen. Wenn man dann noch weiß, dass bei Tranströmer ein halbes Jahr Arbeit oftmals nur zu einem einzigen Gedicht führt, legt man auf jeden einzelnen Text größten Wert und hat einen anderen Perfektionsanspruch.

dasgedichtblog: Welche Musik hörst du gern? Und was fasziniert dich daran besonders?

Leander Beil: Verschiedene Musikrichtungen zu hören ist ja eigentlich nichts Spezielles. Von Rock (M. Ward) über Folk (Tallest Man on Earth) bis hin zu ziemlich schwieriger elektronischer Musik (Floating Points) kann ich mich für alles begeistern. Auch Jazz und Oldies haben diese einzigartige Stimmung, die mich in ihren Bann zieht. Ich denke, dass Musik sehr wichtig ist für einen Lyriker. Man bekommt Gefühl für Rhythmus und Klang. Ob man dieses dann auch einsetzt, bleibt jedem selbst überlassen.

dasgedichtblog: Seit Herbst 2010 bist du Mitglied einer jungen Dichtervereinigung in München names »July«. In der Presse wurde die Gruppe als »Lyrikkollektiv« oder »Dichter-Gilde« bezeichnet. Wie ist es überhaupt zur Gründung und zur aktuellen Namensgebung gekommen?

Leander Beil: Damals noch namenlos, war die Gruppe ursprünglich nur für eine Lesung geplant. Doch wir verstanden uns super und die Veranstaltung kam gut an bei Familie und Freunden. Somit trafen wir uns wieder und lernten uns näher kennen. Ich glaube, dass gerade unsere freundschaftliche Verbindung etwas geschaffen hat, das nicht ›nur‹ ein Kollektiv zum Zweck der Lyrik, sondern viel mehr als das ist. »July« bedeutet nichts anderes als »Junge Lyrik in der Stadt«. Wir dachten, mit dem Kürzel »July« würde ein bisschen sommerliche Frische signalisiert werden.

dasgedichtblog: Bei der Lektüre eures Blogs hatte ich den Eindruck, dass man deine Gedichte an den Worten bereits herauskennen kann.

Leander Beil: Vielen Dank für das tolle Kompliment! Jeder Lyriker versucht natürlich, seinen eigenen Stil zu finden. Es ist wunderbar zu hören, dass ich in dieser Hinsicht vielleicht nicht ganz auf dem falschen Weg bin. Oft habe ich das Gefühl, als Lyriker übernimmt man teilweise den Stil der Lyriker, die man gerade liest, teilweise kommt aber dann doch, wenn es gelingt, die eigene Stimme zum Ausdruck.

dasgedichtblog: Wie war es für dich, als du 2011 als jüngster Teilnehmer beim dritten Wettbewerb um den Lyrikpreis »Hochstadter Stier« neben so vielen doch wesentlich älteren Dichtern teilgenommen hast?

Leander Beil: Ein sehr interessantes Erlebnis! Für mich war es das erste Mal, dass ich an einem Wettbewerb teilnehmen durfte. Mir fehlte noch ein wenig die Erfahrung, aber ich bin ziemlich sicher, dass das nicht der letzte Wettbewerb war, bei dem ich lesen durfte.

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http://youtu.be/9XjHbtgtc18

dasgedichtblog: Wenn ich dich jetzt fragen würde, was du später nach dem Studium machen möchtest, wäre da Schriftsteller eine Option?

Leander Beil: Ich denke, dass es hauptberuflich nicht das Richtige für mich wäre. Sich die Zeit für Lyrik zu nehmen, ist für mich zentral. Und hat man Zeit, wenn man von der Lyrik, einer so unprofitablen Kunst, leben will? Die Welt immer mit ein bisschen anderen Augen zu sehen, Notizen zu machen, funktioniert vielleicht sogar am besten, wenn man noch andere Sachen im Kopf hat als nur den eigenen Text. Zeitdruck und Lyrik schließt sich für mich aus.

dasgedichtblog: Leander Beil, vielen Dank für das Gespräch!

 




Das »Internationale Gipfeltreffen der Poesie: 20 Jahre DAS GEDICHT« ist eine Veranstaltung von Anton G. Leitner Verlag | DAS GEDICHT in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München und dem Literaturhaus München. Hugendubel.de unterstützt das »Internationale Gipfeltreffen der Poesie: 20 Jahre DAS GEDICHT« als Förderpartner. Die Veranstaltung wird vom BR für sein Fernsehprogramm BR-alpha aufgezeichnet (geplante Erstsendung: Samstag, 12. Januar 2013, 22.30 Uhr, Reihe »Denkzeit«, BR-alpha). Das Aus- und Fortbildungsradio München afk M94.5 und dasgedichtclip – lyrik tv sind weitere Medienpartner.

 

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