GIPFELRUF
Folge 55: Ludwig Wolfgang Müller

Ludwig Wolfgang Müller (*1966)

  • Schriftsteller und Kabarettist aus München und Wien
  • www.ludwig-mueller.at
  • Ludwig Wolfgang Müller wurde in Innsbruck geboren und wuchs in Tirol und im oberösterreichischen Salzkammergut auf. Nach der Matura studierte er Rechtswissenschaften in Wien und Salzburg. Parallel dazu absolvierte er eine Sprech- und Schauspielausbildung. Während seines Gerichtsjahrs nach dem Studium begann er, sich mit Auftritten als Humorist einen Namen zu machen. Es folgten Auftritte auf den wichtigsten Kabarettbühnen im deutschsprachigen Raum. Sein kabarettistisches Werk wurde mit diversen Kleinkunstpreisen ausgezeichnet, u. a. dem Passauer ScharfrichterBeil, dem Stuttgarter Besen und dem Salzburger Stier.

    Ludwig Wolfgang Müller lebt und arbeitet in München und Wien. Zu seinen jüngsten Veröffentlichungen zählen »Tang Fung. Unbesiegbar in Ehe, Alltag und Beruf« (Ueberreuter, Wien, 2006), »Unfassbares Österreich. Der Reiseführerkrimi« (Ueberreuter, Wien, 2008), »Der Paragrafenreiter. Ein Anwalt packt aus« (Amaltha Signum-Verlag, Wien, 2011) sowie »Tirol. Jagatee for two – ein Heimatbuch« (Conbook Verlag, Meerbusch, 2012).

In loser Folge stellt Franziska Röchter für dasgedichtblog die Teilnehmer des »Internationalen Gipfeltreffens der Poesie« am 23.10.2012 in München vor. Sie sprach mit Gipfelteilnehmer Ludwig Wolfgang Müller über Paragrafenreiterei, Humor als Droge und erholsamen Mittagsschlaf.

»Meine Droge ist eine vergleichsweise harmlose Dosis Spaß jeden Tag.«
Ludwig Wolfgang Müller

dasgedichtblog: Herr Müller, Sie sind studierter Jurist und sollen der bislang erste und einzige ‚Advocomedian‘ sein. Sich Selbstdarsteller zu nennen, ist ja schon ironisch, sich aber auch noch als Urheber zu bezeichnen, ist schon ein echtes Statement. Sind Sie mit dem Ausgang der ACTA-Diskussion zufrieden?

Ludwig Wolfgang Müller: Nachdem ich zuletzt nur vom Scheitern von ACTA gehört und gelesen habe, bin ich weitgehend zufrieden. Nicht, weil ich die Bedeutung des Urheberschutzes verkenne: aber Patentrechte von Pharmafirmen und Rechte an einem Gedicht in einen Topf zu werfen, halte ich für geradezu schändlich. Da schlagen Großkonzerne Kapital aus der Schutzbedürftigkeit von Künstlern.

dasgedichtblog: Muss man erst durch den Paragrafendschungel geritten sein, um zu erkennen, dass das Leben sich nicht in Paragrafen festhalten lässt?

Ludwig Wolfgang Müller: Nö, muss man bestimmt nicht. Es ist ein Ausschnitt der Wirklichkeit, die Welt der Juristen ist eine Parallelgesellschaft. Aber leben wir nicht alle in Parallelgesellschaften? Um dann festzustellen, dass sich die Welt nicht nach den Parametern einer einzelnen erklären lässt?

dasgedichtblog: Herr Müller, in Ihrem Reiseführerkrimi »Unfassbares Österreich« (Überreuther, 2008) schreiben Sie: »Auch das fieseste Kabarettprogramm ist ein Ammenmärchen gegen den Zynismus des Alltags. « Ist Ihnen schon viel Böses passiert? Was war Ihre letzte Panne?

Ludwig Wolfgang Müller: Ich brauche dazu nur etwa den gerade überlebten Vormittag Revue passieren lassen: Von narzistisch gestörten Offroader-Besitzern, die andere mit dem Tod durch Überrollen bedrohen und es nicht einmal merken, weil sie gerade mit dem Handy auf ihren Investmentberater einlabern, bis zur Syrienkrise und ähnlichem Wahnwitz, der uns aus der Zeitung entgegenschlägt. Hätten wir nicht die Fähigkeit angeboren bekommen, uns durch unsere selektive Wahrnehmung eine eigene liebenswerte Realität zu schaffen, wir würden uns alle nur mehr mit Drogen dichtmachen. Meine Droge ist eine vergleichsweise harmlose Dosis Spaß jeden Tag, etwa in Form meines Reiseführerkrimis, sozusagen Family-Entertainment.

dasgedichtblog: In Ihrem »unfassbaren Österreich« gibt es sogar vegetarische Steinadler. Passiert auch ein Mord?

Ludwig Wolfgang Müller: Nein, nur eine fahrlässige Tötung des Bösewichts, der sich aber bei der Verfolgung meiner gutmütigen Person im Wesentlichen selbst über die Böschung manövriert.

dasgedichtblog: Ursprünglich wollte ich fragen, ob Sie einen Hang zum Fernöstlichen haben, nicht nur wegen des Titels Ihrer CD »Tang Fung. Unbesiegbar in Ehe, Alltag und Beruf« (Radioropa, 2007), sondern auch wegen des Untertitels Ihres Heimatbuches über Tirol: »Tirol. Jagatee for two –ein Heimatbuch« (Conbook, 2012). Allerdings hat Jagatee wohl nichts mit Joga-Tee zu tun? Das Buch ist unabkömmlich für Tirolreisende, man lernt auch so lebensnotwendige Begriffe wie »Fetzenschädel« oder »wampata Uhu«. Welches Wissen vermittelt das Buch, was über andere Tirolführer hinausgeht, und was sollte man auf keinen Fall in Tirol machen?

Ludwig Wolfgang Müller: Mit 12 Euro hat das Tirol-Buch den niedrigsten Buchpreis, obwohl es als einziges einen praktischen Wert hat. Ich hab praktisch all mein Wissen und meine besten Tipps, von Restaurants und Hotels bis hin zum Umgang mit den Tirolern, hineingearbeitet. Das war eine Heidenarbeit, vor allem, ein humorvolles und zugleich brauchbares Buch zu schreiben, das nicht nur gepflegter Nonsens ist wie Tang Fung – Tang heißt übrigens »heiß«, Fung so viel wie »Wind«, »Luft«…

»Humor kann man nicht wirklich lernen. Ich kann ja auch umgekehrt nicht lernen, ernsthaft zu sein.«

dasgedichtblog: Sind Ironie, Zynismus, Sarkasmus die besten Möglichkeiten, mit dem Leben fertig zu werden?

Ludwig Wolfgang Müller: Ja.

dasgedichtblog: Kann man Humor lernen?

Ludwig Wolfgang Müller: Ich fürchte, man kann das nicht wirklich lernen. Ich kann ja auch umgekehrt nicht lernen, ernsthaft zu sein. Etwas ernst zu nehmen fällt mir wahnsinnig schwer, das schaff ich oft nicht einmal bei Begräbnissen. Darum geb ich auch immer gerne den Tipp: Geh bei der Wahl deines Partners nicht nach dem Aussehen, schau ob er oder sie einen Schmäh hat!

»Ich konnte nur unter größten Mühen ein seriöses Urteil schreiben.«

dasgedichtblog: Wann und wie haben Sie Ihre kabarettistische Ader entdeckt? Doch nicht etwa im Gerichtssaal?

Ludwig Wolfgang Müller: Natürlich war ich schon in der Schule auffällig. Gab es einen Anlass, bei dem ein komischer Beitrag gefragt war, wurde das bei mir abgeladen. Aber während meiner ersten Berufserfahrungen als Jurist wurde mir klar, dass es für mich nur einen Weg gibt: Komiker zu werden. Jurist und daneben Künstler oder Humorist oder sonst was: das haut nicht hin. Ich konnte nur unter größten Mühen ein seriöses Urteil schreiben für die Richter, deren Assistent ich war. Eine unsichtbare Hand hat mich jedesmal Blödsinn denken und notieren lassen.

dasgedichtblog: Was hat Sie bewogen, nach dem österreichischen Reiseführerkrimi dieses Heimatbuch zu machen?

Ludwig Wolfgang Müller: Ich habe mich 2011 auf den totalen Wahnsinn eingelassen und im Sommer ein Buch zu meinem aktuellen Kabarettstück »Der Paragrafenreiter« zu verfassen, erschienen bei Amalthea Wien. Kaum war das heraußen, erinnerte mich die Lektorin von Conbook, dass eigentlich demnächst das Manuskript für mein Tirol-Buch fertig sein sollte. In den folgenden Monaten bin nicht nur ich fast durchgedreht, sondern auch meine Frau und meine Lektorin. Das war Tag- und Nachtarbeit, und ich will es nie mehr haben. Aber es ist wahrscheinlich wie nach einer anstrengenden Schwangerschaft: Wenn du dann dein Kindlein in den Händen wiegst, bist du glücklich. Und wenn es zwei sind – dann umso mehr.

dasgedichtblog: Herr Müller, zusätzlich zum Schreiben treten Sie regelmäßig auf renommierten Kabarettbühnen auf, etwa in der Lach- und Schießgesellschaft, der Leipziger Pfeffermühle oder in Ottis Schlachthof. Brauchen Sie denn keinen Schlaf?

Ludwig Wolfgang Müller: Die Frage mit dem Schlaf ist durchaus berechtigt. Ich bin Frühaufsteher und geh aber auch schon berufsbedingt eher spät ins Bett. Aber ich bin dafür Siesta-Fan. Das kleine Schlaferl am frühen Nachmittag drück ich fast immer durch, auch wenn ich mit dem Auto unterwegs bin. Da fahr ich irgendwo von der Autobahn ab, halte auf dem nächsten Waldweg und dreh den Sitz zurück… die Dreiviertelstunde pennen mach unglaublich frisch. Ich hatte allerdings auch schon unangenehme Konfrontationen mit Bauern, die mit einer Fuhre Holz vorbei wollten, einmal bin ich noch schlaftrunken beim Zurückschieben gegen einen Baum gefahren…

dasgedichtblog: Besonders angetan haben es Ihnen Kreuz-, Quer- und Schüttelreime: Sie sind sogar Mitglied der österreichischen Schüttelreimgesellschaft. Was genau wird dort gemacht?

Ludwig Wolfgang Müller: Ich gehöre zu den Gründungsvätern des Vereins der Freunde des Schüttelreims mit Sitz in Vaduz! Wir treten regelmäßig in Österreich und Süddeutschland auf, und die Show ist fast immer voll. Unglaublich, wer sich da alles als Schüttlelreimfan outet.

dasgedichtblog: Sie waren zweimal für den Prix Pantheon nominiert, haben 2008 den Salzburger Stier gewonnen. Was wünscht man sich dann noch? Eine eigene Show im Fernsehen?

Ludwig Wolfgang Müller: Also wenn ich nach ein paar Kleinskunstpreisen nichts mehr zu wünschen übrig hätte, wäre ich ein ziemlich einfaches Gemüt und ein gar wunschloser Gesell. Einen eigenen poetischen Salon im Fernsehen, im Dienste der deutschen Sprache, voll Wortwitz und Poesie, mit Gästen, von denen sich keiner erwartet, dass sie Gedichte schreiben – das wäre natürlich ganz wundervoll! Aber wunschlos glücklich wäre ich dann auch nicht. Ich will schließlich nur zwei Dinge im Leben: Alles und zwar gleich.

dasgedichtblog: Lieber Ludwig Müller, ganz herzlichen Dank für dieses Lippenbekenntnis.

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http://youtu.be/Hls_affPceE

Ludwig Wolfgang Müller
Tirol. Jagatee for two – ein Heimatbuch

Conbook, Meerbusch, 2012
320 Seiten
ISBN 978-3-934918-97-9
Euro 11,95 [D]

 




Das »Internationale Gipfeltreffen der Poesie: 20 Jahre DAS GEDICHT« ist eine Veranstaltung von Anton G. Leitner Verlag | DAS GEDICHT in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München und dem Literaturhaus München. Hugendubel.de unterstützt das »Internationale Gipfeltreffen der Poesie: 20 Jahre DAS GEDICHT« als Förderpartner. Die Veranstaltung wird vom BR für sein Fernsehprogramm BR-alpha aufgezeichnet (geplante Erstsendung: Samstag, 12. Januar 2013, 22.30 Uhr, Reihe »Denkzeit«, BR-alpha). Das Aus- und Fortbildungsradio München afk M94.5 und dasgedichtclip – lyrik tv sind weitere Medienpartner.

 

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