GIPFELRUF
Folge 50: Jean Krier

Jean Krier (*1949)

  • Lyriker aus Luxemburg
  • Jean Krier wurde in Luxemburg geboren. Er studierte Germanistik und Anglistik in Freiburg und arbeitete danach als Deutschlehrer. Kriers Gedichte wurden in zahlreichen Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht. Er veröffentlichte außerdem mehrere viel beachtete Gedichtbände.

    2011 wurde er für »Herzens Lust Spiele« (Poetenladen, Leipzig, 2010) mit dem luxemburgischen Prix Servais für das wichtigste Buch des Jahres ausgezeichnet. Ebenfalls 2011 erhielt er den Adelbert-von-Chamisso-Preis.Jean Krier lebt und arbeitet in Luxemburg. Zu seinen jüngsten Veröffentlichungen zählen »Tableaux / Sehstücke. Gedichte« (Gollenstein Verlag, Blieskastel, 2002), »Gefundenes Fressen. Gedichte« (Rimbaud Verlag, Aachen, 2005) sowie »Herzens Lust Spiele. Gedichte« (Poetenladen, Leipzig, 2010).

In loser Folge stellt Franziska Röchter für dasgedichtblog die Teilnehmer des »Internationalen Gipfeltreffens der Poesie« am 23.10.2012 in München vor. Sie sprach mit Gipfelteilnehmer Jean Krier über seinen besonderen Sprachstatus und die Freude über Preise.

Jean Krier. Foto: privat

dasgedichtblog: Jean Krier, Sie wurden in Luxemburg geboren und leben nach einem Studienaufenthalt in Deutschland wieder dort. Das Luxemburgische bzw. Lëtzebuergesche ist sprachlich gesehen sehr interessant. Welche Sprache lernen die Kinder in der Schule? Spricht jeder Luxemburger zwei oder mehr Sprachen?

Jean Krier: Die Alphabetisierung erfolgt im 1. Schuljahr auf Deutsch, in der 2. Klasse kommt dann Französisch hinzu. In der weiterführenden Schule ab der 8. Klasse Englisch. Später kann man Italienisch, Spanisch oder Niederländisch hinzuwählen. Luxemburgisch spricht wohl jeder Luxemburger, Deutsch bereitet kaum Probleme, mit dem Französischen sieht es dann schon anders aus. Sich auf Französisch oberflächlich zu verständigen dürfte aber den meisten Luxemburgern kein Problem bereiten.

dasgedichtblog: Luxemburgisch ist ein moselfränkischer Dialekt. Die gesprochene Sprache wirkt auf mich wie eine Mischung aus einem niederdeutschen Dialekt, Französisch, vielleicht noch ein bisschen Belgisch, angereichert mit deutschen Brocken. Rein im Hörverstehen ist es – anders als z.B. bei Niederdeutsch, Bayerisch oder Österreichisch – gar nicht so einfach zu folgen, obwohl die Verwandtschaft zum Standarddeutschen ja größer sein soll. Wie sprechen Sie im Alltag?

Jean Krier: Mit meinen Landsleuten spreche ich, wie jeder Luxemburger, Luxemburgisch. Zuhause Deutsch, weil meine Frau Deutsche ist.

dasgedichtblog: Im Hörfunk und im Fernsehen ist Luxemburgisch die meistgebrauchte Sprache, seit 1984 ist es die 3. Amtssprache neben Deutsch und Französisch. Wie sieht es mit der Standardisierung der Schriftsprache aus? Und wie viele luxemburgische Dialekte gibt es überhaupt?

Jean Krier: Meines Erachtens gibt es nur einen luxemburgischen Dialekt; allerdings gibt es Varianten in der Aussprache vieler Wörter – das ist wohl in jedem Dialekt so. Denken Sie nur an die Schweiz. Es gibt ein Wörterbuch und eine Grammatik – also Standardisierung. Jeder Schreibende ist aber natürlich, wie überall, frei, regionale Ausdrücke zu gebrauchen.

dasgedichtblog: Gibt es überhaupt so etwas wie eine spezifisch luxemburgische Literatur und wie wiele Schriftsteller sind ihr zuzurechnen?

Jean Krier: Seit geraumer Zeit gibt es eine luxemburgische, eine auf luxemburgisch geschriebene Literatur, die sich natürlich, insofern sie Literatur ist, an internationalen Techniken orientiert. Wie viele Schriftsteller es hier gibt, weiß ich nicht, da müssten Sie beim Schriftstellerverband anfragen.

»Man freut sich vor allem über die internationale Anerkennung.«

dasgedichtblog: Jean Krier, im Januar 2011 erhielten Sie für Ihr Gesamtwerk und insbesondere für Ihren vierten Gedichtband »Herzens Lust Spiele« (Poetenladen, 2010) den Adelbert-von-Chamisso-Preis. Der nach dem deutsch-französischen Dichter und Naturforscher Adelbert von Chamisso (1781 – 1838) benannte und seit 1985 verliehene, hochdotierte Preis ehrt laut Satzung »Autoren, deren Muttersprache und kulturelle Herkunft nicht die deutsche ist, die mit ihrem Werk einen wichtigen Beitrag zur deutschsprachigen Literatur leisten.« Wie war das für Sie?

Jean Krier: Ein hübsches Sümmchen in der Tat, über das man sich freut, für das man aber auch viel gearbeitet und viele Frustrationen auf sich genommen hat. Man freut sich aber nicht nur über das Geld, sondern vor allem über die internationale Anerkennung.

dasgedichtblog: Zu welcher Sprache fühlen Sie sich mehr hingezogen, Deutsch oder Französisch? Könnten Sie sich vorstellen, einen französischen Lyrikband zu veröffentlichen?

Jean Krier: Ich schreibe ja auf Deutsch, weil ich mich mehr zum Deutschen hingezogen fühle. Offen gestanden ›bade‹ ich nicht so sehr in der französischen Sprache, dass ich französische Gedichte schreiben könnte. Dazu müsste ich längere Zeit in Frankreich leben, um die Nuancen einigermaßen zu beherrschen.

dasgedichtblog: Ihre Gedichte in »Herzens Lust Spiele« wirken collagenhaft. Sätze brechen abrupt ab, werden zu Fragmenten und mit anderen Fragmenten und (Ver)Satzstücken fortgeführt, zum Teil garniert mit französischen Einschüben. Stellenweise wirken die Gedichte wie Denken in Echtzeit. Hat dieser Duktus etwas mit Ihrer Mehrsprachigkeit zu tun oder schreiben Sie solche Gedichte auch monolingual?

Jean Krier: Mit der Mehrsprachigkeit hat das nichts zu tun; es gibt viele Gedichte ohne französische Einsprengsel.

»Natürlich interessiert mich Geschichte, aber ohne dass meine Texte sich direkt mit Geschichte auseindersetzen würden.«

dasgedichtblog: Ihren Texten wird ein gewisses Verstörungspotential nachgesagt. Gleich Ihr erstes Gedicht in »Herzens Lust Spiele« beginnt mit einer Anspielung auf die jüngste deutsche Geschichte: »Une incroyable façon de nous faire mourir«, also »Eine unglaubliche Art, uns sterben zu lassen«, ein Zitat von Michel Déguy. Beschäftigt Sie die deutsche Geschichte?

Jean Krier: Natürlich interessiert mich Geschichte, aber ohne dass meine Texte sich direkt mit Geschichte auseindersetzen würden. Ich glaube, das wurde zur Genüge getan. Da braucht man mich nicht.

dasgedichtblog: In der Begründung der Jury des Adelbert-von-Chamisso-Preis heißt es: »Mit seinem Gesamtwerk bereichere der Luxemburger Dichter die deutschsprachige Lyrik und leiste auf originelle Weise einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der ihn prägenden Kulturen.« Haben Sie weitere Projekte in Planung, die zu einem besseren Verständnis der Kulturen führen können?

Jean Krier: Ist das wirklich gesagt worden, meine Gedichte würden zum Verständnis der Kulturen beitragen? Das wäre ja maßlos übertrieben. Davon abgesehen schreibe ich weiter Gedichte und hoffe, dass ein neuer Band zustande kommt.

dasgedichtblog: Lieber Jean Krier, herzlichen Dank für das Gespräch.

Jean Krier
Herzens Lust Spiele. Gedichte

poetenladen, Leipzig, 2010
88 Seiten
ISBN 978-3-940691-14-9
Euro 15,80 [D]

 




Das »Internationale Gipfeltreffen der Poesie: 20 Jahre DAS GEDICHT« ist eine Veranstaltung von Anton G. Leitner Verlag | DAS GEDICHT in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München und dem Literaturhaus München. Hugendubel.de unterstützt das »Internationale Gipfeltreffen der Poesie: 20 Jahre DAS GEDICHT« als Förderpartner. Die Veranstaltung wird vom BR für sein Fernsehprogramm BR-alpha aufgezeichnet (geplante Erstsendung: Samstag, 12. Januar 2013, 22.30 Uhr, Reihe »Denkzeit«, BR-alpha). Das Aus- und Fortbildungsradio München afk M94.5 und dasgedichtclip – lyrik tv sind weitere Medienpartner.

 

Ein Kommentar

  1. Sicherlich war der Jean, für Luxemburger Verhältnisse, ein grosser Dichter in den Augen jener, die diese moderne Dichtkunst zu schätzen wussten. Die breite Oeffentlichkeit hingegen hat den Jean nicht einmal gekannt, andere haben ihn nicht gemocht. Verständlicherweise, muss ich sagen,
    denn seine ermüdende Art zu schreiben erfordert eine gewisse Konzentration des Lesers, um das Geschriebene in dem jeweiligen Kontext zu verarbeiten und einzuordnen.
    Besonders seine Gedichte sind der breiten Oeffentlichkeit vollends unbekannt. Zu schwerfällig, zu unverständlich. In den Analen der Geschichtsbücher der Luxemburger Schriftsteller, hat er sich sicherlich einen Platz gesichert.

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