Jubiläumsblog. Ein Vierteljahrhundert DAS GEDICHT
Folge 47: Georg »Grög« Eggers – Der Mensch hinter dem Dichter

Seit 25 Jahren begleitet die Zeitschrift DAS GEDICHT kontinuierlich die Entwicklung der zeitgenössischen Lyrik. Bis heute ediert sie ihr Gründer und Verleger Anton G. Leitner mit wechselnden Mitherausgebern wie Friedrich Ani, Kerstin Hensel, Fitzgerald Kusz und Matthias Politycki. Am 25. Oktober 2017 lädt DAS GEDICHT zu einer öffentlichen Geburtstagslesung mit 60 Poeten aus vier Generationen und zwölf Nationen ins Literaturhaus München ein. In ihrer Porträtreihe stellt Jubiläumsbloggerin Franziska Röchter jeden Tag die Teilnehmer dieser Veranstaltung vor.

Georg »Grög« Eggers, geboren 1967 in Göttingen, ist ein Multi­talent. Als Vers-Akrobat tritt er immer wieder wort­gewaltig im Fern­sehen oder auf den Kult­bühnen des Kabaretts und des Poetry Slams auf, u. a. mit einer Vorlesungs­reihe zur »Physik des Scheiterns« voller riskanter Live-Experimente. Im bürger­lichen Beruf ist Eggers Physik­professor an der Hoch­schule für angewandte Wissen­schaften in München. Daneben konzertiert er mit Kammer­chören, wirkt an Opern-Inszenierungen mit oder erfindet Kinder­spielzeug wie die pneumatische Papier­rakete.

Wahrscheinlich ist Georg »Grög« Eggers einer der unterhaltsamsten Wissensvermittler auf diesem Planeten, wenn es um Flugzeugabstürze und Atomkraft-Super-GAUs geht. Selbst die Liebe in Fußgängerzonen, die sich in klammeraffenartigem Händchenhalten manifestiert, kann bei ihm zur ultimativen Katastrophe für Konsumwillige werden.

»Physik des Scheiterns«

Prof. Dr. Georg Eggers aka »Grög« Eggers, unter anderem Entwicklungsingenieur, Kabarettist, Poetry Slammer, überzeugter Autoabgasvermeider und seit 2012 als Hochschulprofessor an der Fakultät für angewandte Naturwissenschaften und Mechatronik in München tätig, verfügt genau über jene Eigenschaften, die mich dazu hinreißen, ernsthaft zu bedauern, dass ich zu Schulzeiten nicht jene Qualifikationen erworben habe, die mich heute befähigen würden, in seinen Vorlesungen zu sitzen! Ich hätte auch gern so ein Naturwissenschafts-Gen.

Während meine beste Schulfreundin sich seinerzeit große – vergebliche – Mühe gab, mir höhere Formelsammlungen in Chemie näherzubringen, konnte ich überhaupt erst tangentiellen Anteil an diesem mir seinerzeit unbegreiflichen Geschehen im Chemieraum nehmen, nachdem ich in der hintersten Reihe während des sogenannten Unterrichts-Monologs meinen Frühstücksapfel vor der natürlichen Oxydation mittels lautloser Degustation bewahrt hatte – oder als einmal der Bunsenbrenner vorn auf dem Experimentiertisch unter lautem Knallen und Zischen sämtliche Versuchsanordnungen lichterloh in Vollbrand setzte und alle Schüler ermahnt wurden, sich in den hinteren Reihen unter die Tische zu ducken. Da war‘s aus mit dem Apfelessen.

 

Georg "Grög" Eggers. Foto: Volker Derlath
Georg “Grög” Eggers. Foto: Volker Derlath

 

Nun sind wir in der Chemie gelandet – Georg Eggers dürfte sich zwar eher im Physikalischen aufhalten, aber seine heiteren Kabarett-Veranstaltungen haben, wie mein Chemie-Unterricht, auch sehr oft etwas mit dem Scheitern zu tun. Jedenfalls ist ihm beides gegeben: der naturwissenschaftliche Röntgenblick auf Ebenen, die nicht immer sofort visuell erfassbar sind, sowie der immer wieder durchbrechende Drang zu messerscharfen, humoristisch geprägten sprachlichen Analysen. Wer einmal einen Teil aus dem Kabarettprogramm »Wo denken Sie hin« (zum Beispiel »Händchenhaltende Liebespaare«) gesehen hat, kann sich kaum vorstellen, dass es in seinen Vorlesungen an der Universität wohl vornehmlich ernsthaft und weniger unterhaltsam zugehen könnte als in seinem physikalisch-satirischen Kabarett-Programm zur »Physik des Scheiterns«, in dem er sich mit Problemen wie der »Theorie und Praxis des Flugzeugabsturzes« oder dem »Scheitern auf Reisen« beschäftigt. Speziell diese beiden Veranstaltungen sollte man vielleicht nicht unbedingt zur Urlaubszeit besuchen …

Auf Eggers Website ist zu lesen: »›Die Physik des Scheiterns‹ erklärt den physikalischen Hintergrund großer Erfindungen, die sich nicht im Sinne des Erfinders entwickelt haben – bevorzugt durch animierte Power-Points und riskante Live-Experimente, deren Ausgang auch dem Referenten vorab nie völlig klar ist.« Um nur einige Themenfelder zu nennen, derer sich Eggers bisher angenommen hat: Absturz, Atomkraft, Chaos, Helmuth Kohl, Monster des Alltags, Stromkrieg, Wettervorhersage, Ölpest. Dabei kommen ihm Gäste von außen zu Hilfe, es kann sich um Poetry Slammer, Latein- oder Griechisch-Lehrer, Politikwissenschaftler, Patentprüfer, Künstler, Sportler, Luftfahrtpsychologen oder Kabarettisten handeln. Bislang sind wohl alle wieder lebend herausgekommen.

Warum »Grög« sich noch nicht in das Feld des Science Slam gestürzt hat, ist mir ein Rätsel – wollte ich gerade schreiben. Doch manchmal hilft Gründlichkeit. Hat er nämlich doch – unter anderem 2016 beim »13. (Megafon) Science Slam der Hirnstadt Darmstadt«, wo er gleich zwei Mal zum Einsatz kam. Dem Abschlussapplaus nach zu urteilen ist er hier auf keinen Fall gescheitert.

Auf der Suche nach den Beweggründen seines fächerübergreifenden Tuns stieß ich auf folgenden Text auf einem (womöglich vom Professor selbst konzipierten) Flyer: »Motor des Spektakels scheint eine latent spürbare Unausgeglichenheit des Dichters zu sein, für die aber nach dessen eigener Auskunft allein ein Mangel an Kaffee verantwortlich ist. Welcher wiederum der grassierenden Verkalkung der Landeshauptstadt München geschuldet sein soll. Aber das lassen sie sich am besten von ihm selbst erklären.«

Womöglich einem Zeitdefizit geschuldet, scheint Georg »Grög« Eggers‘ Künstlerhomepage seit geraumer Zeit – so wie der Professor auch – mehr oder weniger in sich zu ruhen. Ob er noch die Muße hat, an der wie auf seiner Homepage angekündigten Entwicklung und Erforschung von Spielzeug mit physikalisch-technischer Funktion zu basteln, wissen wir nicht. Aber laut Wikipedia (ja, ich weiß, die dunkle Seite der Macht) soll »Grög« mittlerweile auch der Gilde der Münchner Turmschreiber angehören. Dort befände er sich auf jeden Fall in sehr guter Gesellschaft!

 

Georg »Grög« Eggers performt »Hip-Hop-Kochshow«

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https://www.youtube.com/watch?v=o6nIZiAkPkw

 

Franziska Röchter. Foto: Volker Derlath

Unser »Jubiläumsblog #25« wird Ihnen von Franziska Röchter präsentiert. Die deutsche Autorin mit österreichischen Wurzeln arbeitet in den Bereichen Poesie, Prosa und Kulturjournalismus. Daneben organisiert sie Lesungen und Veranstaltungen. Im Jahr 2012 gründete Röchter den chiliverlag in Verl (NRW). Von ihr erschienen mehrere Gedichtbände, u. a. »hummeln im hintern«. Ihr letzer Lyrikband mit dem Titel »am puls« erschien 2015 im Geest-Verlag. 2011 gewann sie den Lyrikpreis »Hochstadter Stier«. Sie war außerdem Finalistin bei diversen Poetry-Slams und ist im Vorstand der Gesellschaft für
zeitgenössische Lyrik. Franziska Röchter betreute bereits 2012 an dieser Stelle den Jubiläumsblog anlässlich des »Internationalen Gipfeltreffens der Poesie« zum 20. Geburtstag von DAS GEDICHT.


Die »Internationale Jubiläumslesung mit 60 Poetinnen und Poeten« zur Premiere des 25. Jahrgangs von DAS GEDICHT (»Religion im Gedicht«) ist eine Veranstaltung von Anton G. Leitner Verlag | DAS GEDICHT in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München. Mit Unterstützung der Stiftung Literaturhaus. Medienpartner: Bayern 2.

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