Jubiläumsblog. Ein Vierteljahrhundert DAS GEDICHT
Folge 30: Bumillo – Der Mensch hinter dem Dichter

Seit 25 Jahren begleitet die Zeitschrift DAS GEDICHT kontinuierlich die Entwicklung der zeitgenössischen Lyrik. Bis heute ediert sie ihr Gründer und Verleger Anton G. Leitner mit wechselnden Mitherausgebern wie Friedrich Ani, Kerstin Hensel, Fitzgerald Kusz und Matthias Politycki. Am 25. Oktober 2017 lädt DAS GEDICHT zu einer öffentlichen Geburtstagslesung mit 60 Poeten aus vier Generationen und zwölf Nationen ins Literaturhaus München ein. In ihrer Porträtreihe stellt Jubiläumsbloggerin Franziska Röchter jeden Tag die Teilnehmer dieser Veranstaltung vor.

Bumillo, Jahr­gang 1981, geht gerne ohne Sonnen­brille spazieren. Er reimt, rappt und rockt auf Bayrisch und Hoch­deutsch und ist mit seinen Texten sowohl auf Poetry Slams als auch auf Kabarett­bühnen zu Hause. Gemeinsam mit Philipp Scharri und Heiner Lange gründete er das legendäre Slam-Team »PauL – Poesie aus Leiden­schaft« sowie die Lese­bühne »Die Rational­versammlung«. Seine musikalische Zusammen­arbeit mit den Produ­zenten Dammerl und SeppHänzn führte bis dato zur Veröffent­lichung der CDs »Mingration EP«, »Wiara Wuida im Woid EP« und »VEIT CLUB LP«. Im Oktober 2014 feierte Bumillos 1. Solo­programm »VEIT CLUB« seine Premiere, eine Mischung aus Slam-Poesie, Stand-Up und Bairischem Rap. Für das Goethe-Institut war er 2015 zu Gast auf dem Poesie­festival »FLUPP« in Rio de Janeiro. Im Bayerischen Fernsehen führte er seit April 2016 bis Juli 2017 wöchentlich durch die Kunst- und Literatur­sendung »Südlicht«.

Bumillo heißt eigentlich Dr. Christian Bumeder. Er ist bekannt durch seine großen Erfolge im Poetry Slam und durch seine Fernsehsendung »Südlicht« (bis Juli 2017). Franziska Röchter wollte von ihm wissen, ob seine Putztexte authentisch sind und wo die Grenzen des guten Geschmacks überschritten werden.

Ich glaube, die Zukunft ist jetzt.

Bumillo, man schreibt ja über das, was man kennt. 2014 warst du im Finale des Bayernslam mit einem Text über die Arroganz beim Putzen. Putzt du auch Zuhause?

Ja, klar! Seit ich den Text geschrieben habe zwar etwas weniger und unregelmäßiger als zuvor (vor allem im Bad), aber ich bin schon jemand, der im Haushalt sehr viel macht.

Als erfahrener und überaus erfolgreicher Poetry Slammer hast du etliche Preise gewonnen, viele auch mit dem Team PauL (=Poesie aus Leidenschaft) zusammen mit Philipp Scharrenberg (Scharri) und Heiner Lange. 2014 wurdest du Bayerischer Poetry-Slam-Vize-Meister. Im gleichen Jahr wurde deine Doktorarbeit veröffentlicht. Wie ging das zusammen, das Touren und Promovieren?

Das hat schon Disziplin und gute Planung erfordert, aber dann ging’s. Vor allem weil ich mich für die Doktorarbeit sehr auf München und Bayern beschränkt habe mit dem Touren. Und das Touren hat ja auch die Arbeit finanziert, das darf man nicht vergessen.

Bis 2009 hast du in München Germanistik und Theaterwissenschaften studiert, dann aber über einen bestimmten Bereich aus dem Film promoviert. Bist du leidenschaftlicher Kinogänger? Welches waren die letzten fünf Filme, die du gesehen hast?

Boah, seit meine Tochter auf der Welt ist und ich begeisterter Netflix-Gucker bin, war ich kaum mehr im Kino. Aber warte: Ich erinnere mich spontan an »Toni Erdmann«, »Interstellar« und »Pacific Rim«. Da fällt mir ein: Eine gute Freundin hat mir letzten Herbst einen Kinogutschein zum Geburtstag geschenkt – den hab ich immer noch nicht eingelöst! Ich muss ins Kino!

Bumillo. Foto: Julia Müller
Bumillo. Foto: Julia Müller

Vertrauen zu sich selbst!

In deinem Text »Generation Bushido« zerpflückst du die Plakativität der Yellow Press, die profanen Pauschalkausalitäten bei der Ursachenforschung von Gewalt und Ausschreitungen bei der heutigen Jugend, und deckst die Doppelmoral der Politiker auf. Du sagst, auf dem Zwischenzeugnis in der siebten Klasse hättest du eine glatte Sechs in Religion gehabt und nicht an Gott geglaubt, dafür dann aber umso mehr an dich selbst. »Der Glaube versetzt Berge«, heißt es in deinem Text. Glaubst du heute mehr an Gott oder ist es wichtiger, das Vertrauen zu sich selbst zu haben?

Vertrauen zu sich selbst!

 

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https://www.youtube.com/watch?v=szsbVbfjaiI

 

Mit deiner Persiflage auf Horst Seehofer, den Bayernkult und die nachgesagte bayerische Arroganz des Urbayerns hast du nicht nur im Schwabinger Vereinsheim viel Applaus geerntet. Slammst du noch viel oder haben andere Aktivitäten den regulären Poetry Slam abgelöst?

Also, dass ich wirklich bei einem regulären Poetry Slam im Line-up mit dabei bin, ist echt selten geworden, vielleicht fünfmal im Jahr. Ich stehe nach wie vor zu meinen Wurzeln und liebe das Format, aber mit Familie, Soloprogramm, Lesebühne, vier monatlichen Shows in München und diversen anderen Projekten, wie zum Beispiel »Südlicht« im Bayerischen Fernsehen, ist einfach kaum mehr Platz für’s ›normale‹ Slammen.

 
https://www.youtube.com/watch?v=h7WJNn1ZTI4
 

Dürfen Kabarett, Slam und Comedy eigentlich alles oder gibt es aus deiner Sicht einen Punkt, an dem die Grenzen des guten Geschmacks überschritten werden? Was hast du seinerzeit zur sogenannten ›Causa Böhmermann‹ gedacht?

Ich hab das Erdogan-Gedicht von Böhmermann damals tatsächlich live gesehen und fand’s aufgrund der permanent hinzukommentierten Metaebene geil. Und dass es dann zensiert und gelöscht wurde und was es alles ausgelöst hat – ich meine: wegen dieses Gedichts wurde ein Paragraph im Strafgesetzbuch abgeändert! – das ist schon bemerkenswert! Hier zeigt sich die Kraft der Kunst und die Wirkmächtigkeit der Poesie, wenn auch in einem etwas speziellen Fall. Böhmermanns Gedicht lebt für mich auf jeden Fall von seinen damals in der Show live geäußerten Metakommentaren.

Die Doktorarbeit war eine Herzensangelegenheit.

Was macht man mit einem Dr. phil. in der Tasche? Du sagst ja selbst in deinem Text »Generation Bushido«, dass ein Doktortitel in der »fucking Germanistik« nichts weiter sei als ein »Nerd Oskar«. Gehst du noch einem anderen Brotberuf nach?

Nein, tatsächlich nicht, seit 2010 leb ich ausschließlich vom Schreiben, Auftreten und Moderieren. Ich hatte auch nie das Ziel, an der Uni zu arbeiten. Die Doktorarbeit war eine Herzensangelegenheit, die ich einfach machen wollte. Zu keinem anderen Thema und bei keinem anderen Doktorvater hätte ich promoviert.

Derzeit scheint es ja so, dass sehr viele Slammer in das Kabarett-Fach wechseln oder dieses zumindest versuchen, einige schaffen auch den Sprung ins Fernsehen. Einige wenige sind fast schon überpräsent, wenn sie mehrmals die Woche in diversen Late-Night-Shows ihre Geschichten zum Besten geben. Gleichzeitig entstehen immer neue Unterformate im Poetry Slam. Ist das ein Zeichen, dass der herkömmliche Text vs. Text-Slam mittlerweile überholt ist? Worin liegt deiner Meinung nach die Zukunft des Poetry Slams?

Ich glaube, die Zukunft ist jetzt: erfolgreiche SlammerInnen gehen ihre Wege, landen auf den großen Bühnen, bei den großen Verlagen und bei den großen Sendern und Sendungen. Aber derweil kommen immer wieder neue SlammerInnen nach und die Poetry Slams in den Clubs, Theatern und sonstwo boomen nach wie vor. Ich denke, Poetry Slam hat sich in vielen Städten als ganz normale Abend-Option etabliert: »Gehen wir heute in die Oper, zum Impro-Theater oder zum Slam?« Poetry Slam ist da und bleibt da, auch wenn bei weitem noch nicht alle das Format kennen.

Seit 2016 moderierst du eine eigene wöchentliche Kunst- und Literatursendung im Bayerischen Fernsehen, »Südlicht«, die leider zwischenzeitlich eingestellt wurde. Dort greifst du viele unterschiedliche kulturelle Themen im Zusammenhang mit Bayern auf. Das Thema der Sendung vom April dieses Jahres lautete »Ist Sprache der Rhythmus des Lebens?«. Da kann ich nur zurückfragen: Ist Sprache der Rhythmus des Lebens? Was ist mit den Sprachlosen?

Die Sprachlosen kommunizieren ja auch. Nicht kommunizieren ist so gut wie unmöglich. Die Antwort auf unsere Frage gibt in der Sendung die wunderbare Nora Gomringer. Also nichts wie ab in die BR-Mediathek!

Kannst du dir die Themen der Sendung selber ausdenken oder hast du ein Mitspracherecht?

Die Redaktion macht die Themen, ich reiche manchmal Vorschläge ein, aber die Themen von der Redaktion zu bekommen ist fantastisch, weil sich mein Horizont dadurch extrem erweitert!

Wenn ich reime, dann rappe ich auch meistens.

Bumillo, wird es deine Texte in absehbarer Zeit auch zwischen zwei Buchdeckeln geben?

Ich schreib schon sehr für die Bühne. Und ich schreib sehr bairisch. Und wenn ich reime, dann rappe ich auch meistens. Das ist alles nicht wirklich was für die Buchdeckel. Vielleicht schreib ich ja mit Mitte 40 oder so mal einen Roman – aber nur, wenn ich wirklich Bock dazu habe!
Ah, aber hier hätte ich noch ein kleines feines Gedicht für euch:
 

Weg einer Ehe

Geliebte Ehefrau, ich mag dich sehr!
Geliebte Ehefrau, ich mag dich.
Geliebte Ehefrau, ich mag!
Geliebte Ehefrau: ICH!
Geliebte, Ehefrau.
Geliebte.
Geh.
 

Lieber Bumillo, herzlichen Dank für dieses Gespräch und das Gedicht!

 

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https://youtu.be/KjZN2Tw-ZnM

 

Franziska Röchter. Foto: Volker Derlath

Unser »Jubiläumsblog #25« wird Ihnen von Franziska Röchter präsentiert. Die deutsche Autorin mit österreichischen Wurzeln arbeitet in den Bereichen Poesie, Prosa und Kulturjournalismus. Daneben organisiert sie Lesungen und Veranstaltungen. Im Jahr 2012 gründete Röchter den chiliverlag in Verl (NRW). Von ihr erschienen mehrere Gedichtbände, u. a. »hummeln im hintern«. Ihr letzer Lyrikband mit dem Titel »am puls« erschien 2015 im Geest-Verlag. 2011 gewann sie den Lyrikpreis »Hochstadter Stier«. Sie war außerdem Finalistin bei diversen Poetry-Slams und ist im Vorstand der Gesellschaft für
zeitgenössische Lyrik. Franziska Röchter betreute bereits 2012 an dieser Stelle den Jubiläumsblog anlässlich des »Internationalen Gipfeltreffens der Poesie« zum 20. Geburtstag von DAS GEDICHT.


Die »Internationale Jubiläumslesung mit 60 Poetinnen und Poeten« zur Premiere des 25. Jahrgangs von DAS GEDICHT (»Religion im Gedicht«) ist eine Veranstaltung von Anton G. Leitner Verlag | DAS GEDICHT in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München. Mit Unterstützung der Stiftung Literaturhaus. Medienpartner: Bayern 2.

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