Die begleitende Netz-Anthologie zu DAS GEDICHT 22,
zusammengestellt und ediert von Anton G. Leitner und Hellmuth Opitz
Renate Schön
Die Tasche einer Frau
Tiefgründig, geheimnisvoll, fremden
Einblicken verwehrter Inhalt, wie in
einer Dunkelkammer tastbar, nur
röntgenologisch zu durchschauen,
wenn Spiegel, Kamm, auch Schlüssel,
Lippenstift und Portemonnaie den
Bund der Kohäsion geschlossen, dann
hilft nur alles, aber auch alles aus der
borsa – táska – Tasche, ganz egal, in
welchen Sprachen dieser Welt, sie wühlt
in Dunkelheit darin, das ist es ja, was der
Verwirrung ihren letzten Lichtblick raubt.
Es kramt die donna, Frau, asszonyok, sie
schüttet letztlich ihren ganzen Inhalt aus
und siehe, manch Vergrabenes, lang
Vermisstes kommt so auch noch mit zu Tag.
© Renate Schön, Augsburg