»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer
Thomas Glatz
Am schönen Neckar
Am schönen Neckar,
Wo de Floischkäswecke
Schnurret.
Heidanei!
S isch halt nemme dees!
Wo de Floischkäswecke
Schnurret.
Ha noi!
Floischkäswecke, de wo schnurret?
Ha, so a Overnompft!
S isch halt nemme dees!
S isch nemme alles am rechta Fleck!
Noi!
A Floischkäs und a Weck,
Die zwoi gheret zamma
Wie Essich ond Eel,
Wie Pfeffer ond Salz,
Wie Knäusle ond Rieble,
Wie Äffle ond Pferdle.
Abr dass se schnurret?
Heidanei!
Em Gegadoi!
A, so a Overnompft!
© Thomas Glatz, München
+ Das Original
Friedrich Hölderlin
Der Neckar
In deinen Tälern wachte mein Herz mir auf
Zum Leben, deine Wellen umspielten mich,
Und all der holden Hügel, die dich
Wanderer! kennen, ist keiner fremd mir.
Auf ihren Gipfeln löste des Himmels Luft
Mir oft der Knechtschaft Schmerzen; und aus dem Tal,
Wie Leben aus dem Freudebecher,
Glänzte die bläuliche Silberwelle.
Der Berge Quellen eilten hinab zu dir,
Mit ihnen auch mein Herz und du nahmst uns mit,
Zum stillerhabnen Rhein, zu seinen
Städten hinunter und lustgen Inseln.
Noch dünkt die Welt mir schön, und das Aug entflieht
Verlangend nach den Reizen der Erde mir,
Zum goldenen Paktol, zu Smyrnas
Ufer, zu Ilions Wald. Auch möcht ich
Bei Sunium oft landen, den stummen Pfad
Nach deinen Säulen fragen, Olympion!
Noch eh der Sturmwind und das Alter
Hin in den Schutt der Athenertempel
Und ihrer Gottesbilder auch dich begräbt,
Denn lang schon einsam stehst du, o Stolz der Welt,
Die nicht mehr ist. Und o ihr schönen
Inseln Ioniens! wo die Meerluft
Die heißen Ufer kühlt und den Lorbeerwald
Durchsäuselt, wenn die Sonne den Weinstock wärmt,
Ach! wo ein goldner Herbst dem armen
Volk in Gesänge die Seufzer wandelt,
Wenn sein Granatbaum reift, wenn aus grüner Nacht
Die Pomeranze blinkt, und der Mastixbaum
Von Harze träuft und Pauk und Cymbel
Zum labyrinthischen Tanze klingen.
Zu euch, ihr Inseln! bringt mich vielleicht, zu euch
Mein Schutzgott einst; doch weicht mir aus treuem Sinn
Auch da mein Neckar nicht mit seinen
Lieblichen Wiesen und Uferweiden.
+ Zum Autor
Thomas Glatz, 1970 in Landsberg geboren, lebt als Künstler, Schriftsteller und Sozialpädagoge in München. Er studierte Sozialarbeit in Landshut und Bamberg sowie Bildende Kunst an den Kunstakademien in München und Helsinki. Als Autor verfasst er vor allem kürzere Prosa, Hörspiele, zuweilen Gedichte. Seit 2000 leitet er das »Archiv für Gebrauchs- und Benutztexte«. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. erhielt er 2007 das Heinrich-Gartentor-Stipendium des ersten und unabhängigen Schweizer Kulturministers, 2010/11 das Literaturstipendium des Freistaats Bayern, 2012 den Leipziger Hörspielpreis (zusammen mit Colin Djukic, Gerhard Lassen und Florian Schenkel), 2015 den Leserpreis der Gesellschaft der Lyrikfreunde. Zuletzt von Thomas Glatz erschienen sind: »Nuddernheim – ein Miniroman aus dem Neo-Biedermeier« und »Die übrige Zeit bis zum Bestimmungsort – ein Miniroman« (beide: Black Ink).
»Gedichte mit Tradition« im Archiv
Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden zweiten Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.