»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer
Jan-Eike Hornauer
Sommerausflugspausenmoment
Stibitz mit deiner Zungenspitze
vom Zuckerwattewolkenweiß,
bespritz dich mit Wasser, pfeife leis
und lüfte die Sonnenschirmmütze,
pflanz dich dem Baumstumpf sitzend auf,
lass deine Beine frei heraus wippen,
verfolge der Watte weißblauen Lauf,
ohne dabei hintunterzukippen,
dein Pfeifen lass dir himmlisch nun führen,
und flieg ihm nach im freien Schwung,
es gilt nur noch, dich zu spüren,
dein Denken sei kurz wie ein Grashüpfersprung.
© Jan-Eike Hornauer, München
+ Das Original
Joachim Ringelnatz
Sommerfrische
Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,
Das durch den sonnigen Himmel schreitet.
Und schmücke den Hut, der dich begleitet,
Mit einem grünen Reis.
Verstecke dich faul in die Fülle der Gräser.
Weil’s wohltut, weil’s frommt.
Und bist du ein Mundharmonikabläser
Und hast eine bei dir, dann spiel, was dir kommt.
Und laß deine Melodien lenken
Von dem freigegebenen Wolkengezupf.
Vergiß dich. Es soll dein Denken
Nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf.
+ Zum Autor
Jan-Eike Hornauer, geboren 1979, lebt als freier Textzüchter (Autor, Herausgeber, Lektor und Texter) in München. In Lübeck auf die Welt geworfen, aufgewachsen in Hausen bei Aschaffenburg, Studium der Germanistik und Soziologie in Würzburg. Seine literarischen Schaffensschwerpunkte sind: gereimte Lyrik (u. a. komische Gedichte sowie Gedichte zu den Themen Liebe, Gesellschaft und Tiere) und Kurzgeschichten unterschiedlichster Stimmungslage. Er ist zweiter Vorsitzender des Münchner Künstlervereins »Realtraum«, freier Redakteur bei »DAS GEDICHT blog« sowie Mitglied der »Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik« (GZL, Leipzig). Gedichte von ihm sind u. a. erschienen in Publikumsmedien (wie taz und Main-Echo sowie WDR 3 und 5), in Anthologien (u. a. bei Reclam und dtv) sowie in Literaturzeitschriften / -reihen (z. B. DAS GEDICHT, Versnetze, Poesiealbum neu, etcetera und Poesie Agenda).
Zuletzt als Buch herausgekommen sind sein zweiter Solo-Lyrikband »Das Objekt ist beschädigt – zumeist komische Gedichte aus einer brüchigen Welt« (muc Verlag 2016) und die beiden Herausgaben »Wenn Liebe schwant«, eine Anthologie mit neuen komischen Liebesgedichten zeitgenössischer Poeten (muc Verlag 2017), sowie »Semmel sei der Mensch, Bratwurst und Senf!« von Karsten Paul, das aus den »Gedichten mit Tradition« heraus entstanden ist und an dem Hornauer, wie in der Online-Reihe, als Herausgeber, Lektor und Einordnungstextverfasser beteiligt war (muc Verlag 2025).
Auf »DAS GEDICHT blog« hat er u. a. mehrere Online-Anthologien verantwortet, zu denen er auch je eigene Beiträge beigesteuert hat (etwa »Wenn Liebe schwant III« und »Vom Leder gezogen – zur EM 2016 in Frankreich«). Zusammen mit Alex Dreppec und Fritz Deppert hat er hier überdies die Reihe »Lockdown-Lyrik« herausgegeben, in der zahlreiche Poetinnen und Poeten den ersten Corona-Shutdown unmittelbar lyrisch begleitet und kommentiert haben.
Textzuechterei.de/autor.html
»Gedichte mit Tradition« im Archiv
Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden zweiten Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.