Seit 25 Jahren begleitet die Zeitschrift DAS GEDICHT kontinuierlich die Entwicklung der zeitgenössischen Lyrik. Bis heute ediert sie ihr Gründer und Verleger Anton G. Leitner mit wechselnden Mitherausgebern wie Friedrich Ani, Kerstin Hensel, Fitzgerald Kusz und Matthias Politycki. Am 25. Oktober 2017 lädt DAS GEDICHT zu einer öffentlichen Geburtstagslesung mit 60 Poeten aus vier Generationen und zwölf Nationen ins Literaturhaus München ein. In ihrer Porträtreihe stellt Jubiläumsbloggerin Franziska Röchter jeden Tag die Teilnehmer dieser Veranstaltung vor.
Helmut Eckl ist ein echtes Münchner Urgestein. Er sprach mit Franziska Röchter über die Münchner Kleinkunstszene der 70er- und 80er-Jahre, über das Altern in Würde und sein persönliches Fitnessprogramm.
Ich fahre jedes Jahr knapp 3.000 Kilometer mit dem Radl.
Lieber Helmut Eckl, Sie werden gern als Münchner Urgestein bezeichnet. Passt diese Bezeichnung Ihrer Meinung nach?
Da ich mich ja satte zwanzig Jahre in meiner damaligen Heimat, der Kleinkunstszene in München, herumgetrieben habe, wurde ich irgendwann von der Presse als Urgestein derselben bezeichnet: ehrt mich.
Ohne den Friedl Brehm gäbe es den Helmut Eckl nicht.
Auf Bayern 2 waren Sie im Juni dieses Jahres im Zusammenhang mit dem 100. Geburtstag der außergewöhnlichen Verlegerpersönlichkeit Friedl Brehm zu hören. Wie sehr hat die Begegnung mit Friedl Brehm Sie geprägt?
Mein erstes Treffen mit Friedl Brehm fand bei einem Poetenstammtisch im Theater im Fraunhofer statt. Übrigens mein erster öffentlicher Auftritt überhaupt! Friedl Brehm kam nach meiner Lesung auf mich zu und sagte: »Wir machen ein Buch.« Ohne den Friedl Brehm gäbe es den Helmut Eckl nicht.
Auf Ihrem Faltflyer steht unter anderem: »Mich regt nix auf«. Innen ist – neben dem sympathischen Foto eines Seebären mit Pudelmütze – zu lesen: »zeitlose texte – ohne vergangenheit und ohne zukunft«. Was will man mit dem Wort »zeitlos« eigentlich ausdrücken? Machen Sie sich Gedanken oder Sorgen ums Älterwerden?
Ich bilde mir ein, dass einige meiner Texte auch in 100 Jahren noch aktuell sein werden, also zeitlos.
Sorgen um das Älterwerden mache ich mir insoweit, als ich den hübschesten Radlerinnen mit meinem Koga Miyata (Rennradl) nicht mehr hinterherkomme. Ansonsten bemühe ich mich, mit Würde zu altern.
So alt wie momentan war ich fei noch nie!
2012 erschien im Verlag Sankt Michaelsbund Ihr Erzählband »alte männer füttern keine enten«. In der Tat haben sehr viele oder alle Texte darin direkt oder indirekt mit dem Älterwerden und seinen Folgen und Auswirkungen zu tun. Wie ist die Idee zu diesem Band entstanden?
In einem Gedicht von mir steht: »Wenn die alten Frauen Enten füttern, leben die alten Männer nicht mehr«. Unter diesem Aspekt ist das Buch »Alte Männer füttern keine Enten« entstanden. Mein Lieblingsonkel meinte immer: »Wer nicht alt werden will, muss jung sterben.« Und meine dazugehörige Lieblingstante verriet mir zu ihrem 88. Geburtstag: »So alt wie momentan war ich fei noch nie!«
Eigentlich geht’s doch sehr vielen älteren Menschen recht gut in diesem Land, allen aber längst nicht. Wir werden im Durchschnitt immer älter und die ›Alten‹ immer fitter, aber parallel dazu wächst natürlich auch die Zahl derer, die etwa an Alzheimer oder Altersdemenz erkranken. Was tun Sie persönlich gegen die Folgen des Alters oder Alterns, gibt es da Geheimrezepte in Bezug auf Ernährung, Fitness oder Freizeit?
Ich fahre jedes Jahr knapp 3.000 Kilometer mit dem Radl, war letztes Jahr 22 Mal beim Langlaufen und ebenso oft mit dem Kajak auf bayerischen Seen unterwegs.
Sie waren ja viele Jahre in der Verwaltung der Münchner Ludwigs-Maximilians-Universität (LMU) beschäftigt. Was war dort Ihre Aufgabe?
Ich war über 40 Jahre an der LMU. Zum Ende meiner Karriere war ich als Regierungsdirektor Leiter der Haushaltsabteilung – kein Acht-Stunden-Job!
War es schwierig, neben dieser Verwaltungstätigkeit noch Texte zu schreiben und diese auch auf Bühnen vorzutragen?
Natürlich war meine Produktivität in dieser Zeit recht spärlich. Mit Auftritten musste ich auch immer geizen. Aber die Schreiberei und die Leserei haben mir immer viel Spaß gemacht und waren ein guter Ausgleich von meinem stressigen Job.
Wenn ich schreibe, höre ich mich das Geschriebene gleichzeitig reden – natürlich bairisch!
Schreiben Sie noch viele Gedichte? Wenn Sie welche schreiben, nehme ich an, dass Sie diese direkt auf Bairisch schreiben – oder denken Sie die Gedichte zuerst in Hochdeutsch?
Ich schreibe inzwischen verhältnismäßig wenig Gedichte. Neige zur Satire in Prosa! Und wenn ich schreibe, höre ich mich das Geschriebene gleichzeitig reden – natürlich bairisch!
Helmut Eckl rezitiert »Nachbarsdamen«
aus: Helmut Eckl, »Früher war die Zukunft länger. Satiren« (Live-Mitschnitt aus dem Theater im Fraunhofer im Juli 2000)
Helmut Eckl rezitiert »Mich regt nix auf«
aus: Helmut Eckl, »Früher war die Zukunft länger. Satiren« (Live-Mitschnitt aus dem Theater im Fraunhofer im Juli 2000)
Wie lange betreiben Sie schon den legendären literarisch-satirisch-musikalischen, sonntäglichen Frühschoppen im Theater im Fraunhofer? Welche prominenten Gäste hatten Sie dort schon auf der Bühne?
Den literarisch-satirisch-musikalischen Frühschoppen veranstalte ich seit 1994. Es waren schon alle da: Von Friedrich Ani bis Helmut Zöpfl. Natürlich auch, um nur einige zu erwähnen: Dieter Hildebrandt, Bruno Jonas, Ottfried Fischer, Zither-Manä, Martha Schad, Asta Scheib, Gerhard Polt und die Gebrüder Well, Eugen Oker, Harald Grill, Bernhard Setzwein und so weiter.
Wie ist die Idee zu Ihrem Foto- und Zeitzeugenbuch »Vom Muh in die Ottobrunner Straß« (Verlag Sankt Michaelsbund, München 2016) entstanden, in dem die Münchner Kleinkunst- und Kabarettszene der 1970er- und 1980er-Jahre wieder zum Leben erweckt wird?
Die Idee zum Buch steht eigentlich im Vorwort. Ein Student der Medizin und leidenschaftlicher Fotograf, Alexander Früchte, hatte mir eine Unzahl von Schnappschüssen der Münchner Kleinkunstszene überlassen. »Mach was draus«, war seine Bitte. Nachdem ich die Bilder unzählige Male betrachtet hatte, gab der Kabarettist Sigi Zimmerschied den Ausschlag, das Buch zu schreiben. Er meinte nämlich, dass diese Zeit einmal aufgearbeitet werden sollte, und so ist dieses Zeitdokument entstanden.
Wenn man darin liest und blättert, wünscht man sich gleich um Jahrzehnte zurück … Es sind auch Fotos von Hannes Wader und Konstantin Wecker drin, allerdings stehen sie nicht bei der Auflistung der Aufgetretenen in den erwähnten Locations hinten im Buch. Haben die beiden damals schon andere Bühnen bespielt, waren sie schon zu bekannt?
Der Hannes Wader (in der Drehleier) und der Konstantin Wecker (im Song Parnass) haben diese Bühnen durchaus bespielt, sind aber mit der Zeit aus der Szene herausgewachsen und konnten bald schon auf größeren Bühnen auftreten.
Ich bin ja auch weltberühmt, aber außer mir weiß es halt keiner.
Außerdem finde ich ein Foto Ihres Turmschreiberkollegen Wolfgang Oppler. Und von Gerhard Polt oder Bruno Jonas. Oder Holger Paetz mit Jesus-Haaren. Und Josef Wittmann. Einige aus der damaligen Zeit sind ja richtig bekannt geworden. Was haben die damals anders, richtiger, noch besser gemacht?
In der Blüte der Münchner Kleinkunstszene, den 70er- und 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts, sind hunderte von Künstlern aufgetreten. Viele davon waren großartig und trotzdem eines Tages spurlos verschwunden. Manche wollten aber auch gar nicht bekannt werden. Andere waren zur rechten Zeit am richtigen Ort. Glück gehört wohl auch dazu. Ich bin ja auch weltberühmt, aber außer mir weiß es halt keiner.
Lieber Helmut Eckl, mit anderen Künstlern aus der Münchner Kleinkunstszene der 70er- und 80er-Jahre sind Sie seit langem Mitglied in der Gilde der Münchner Turmschreiber. Das ist schon sehr bemerkenswert, weil Sie ja in jenen Zeiten damals als ›junge Wilde‹ in Aufbruchstimmung einen krassen Gegenpol zu den ›reaktionären‹ Turmschreibern bildeten. 2011 haben Sie selbst den Poetentaler bekommen, 2013 hielten Sie Ihrem Kollegen Manfred Zick aka Zither-Manä die Laudatio zur Verleihung des Poetentalers. Ist das nicht wunderbar, wenn man über so viele Jahre hinweg durch die Literatur miteinander verbunden bleibt und schließlich auch dort landet, wo sich irgendwann einmal vielleicht vermeintliche ›Feindbilder‹ aufhielten?
Die Jugend muss sich am Alter reiben und das haben wir in den 70er-Jahren ausgiebig zelebriert. Ich bin mit vielen damaligen Turmschreibern inzwischen sehr gut befreundet und schätze deren Arbeiten sehr. Aber damals waren die Dichter des Friedl-Brehm-Kreises halt die fortschrittlichen ›jungen Wilden‹ und die anderen, die Turmschreiber, ach geh …
Was sind Ihre Pläne für die nächsten fünf Jahre? Haben Sie weitere interessante Buchprojekte im Hinterkopf?
Mein Plan für die nächsten fünf Jahre ist, die nächsten zwölf Jahre in Anstand und Würde zu überleben und wenn ich Lust habe, schreibe ich noch ein Buch – ich drängle mich aber in meinem Alter nimmer.
Lieber Helmut, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Helmut Eckl
alte männer füttern keine enten
Verlag Sankt Michaelsbund, München 2012
168 Seiten, Softcover
ISBN 9783943135039
Helmut Eckl
Vom MUH in die Ottobrunner Straß
Die Kleinkunstszene im München der 70er und 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts
Verlag Sankt Michaelsbund, München 2016
168 Seiten, Hardcover
ISBN 9783943135602
Unser »Jubiläumsblog #25« wird Ihnen von Franziska Röchter präsentiert. Die deutsche Autorin mit österreichischen Wurzeln arbeitet in den Bereichen Poesie, Prosa und Kulturjournalismus. Daneben organisiert sie Lesungen und Veranstaltungen. Im Jahr 2012 gründete Röchter den chiliverlag in Verl (NRW). Von ihr erschienen mehrere Gedichtbände, u. a. »hummeln im hintern«. Ihr letzer Lyrikband mit dem Titel »am puls« erschien 2015 im Geest-Verlag. 2011 gewann sie den Lyrikpreis »Hochstadter Stier«. Sie war außerdem Finalistin bei diversen Poetry-Slams und ist im Vorstand der Gesellschaft für
zeitgenössische Lyrik. Franziska Röchter betreute bereits 2012 an dieser Stelle den Jubiläumsblog anlässlich des »Internationalen Gipfeltreffens der Poesie« zum 20. Geburtstag von DAS GEDICHT.