Die begleitende Netz-Anthologie zu DAS GEDICHT 25,
zusammengestellt und ediert von Anton G. Leitner und José F. A. Oliver
Thomas Böhme
In Nietzsches Garten
Den Menschen aus seiner Bedrückung zu führen
reicht ein Menschenleben nicht aus.
Viele kommen & gehen
wie die Wolken
die hoch über den Dächern ziehen.
Der tanzende Ziegenbock
auf grüner Wiese
ist angepflockt.
Womöglich würde er sonst
in die offene Kirche stolzieren.
Gott hatte gewiß schon schlechtere Prediger.
Die wilden Rosen sind unbeschnitten.
Dionysos hebt seinen Kelch.
Die Sonntagsruhe
nach der Schöpfung ein Mißverständnis.
Den Menschen aus seiner Bedrückung zu führen
kostete nicht nur ihn den Verstand.
(Röcken, 3. Juli 2016)
© Thomas Böhme, geboren 1955, lebt in Leipzig.
»DAS GEDICHT 25: Religion im Gedicht«,
herausgegeben von Anton G. Leitner und José F. A. Oliver