Verse für den Gaumenkitzel – Folge 49: »Frühburgunder«

Die begleitende Netz-Anthologie zu DAS GEDICHT 23,
zusammengestellt und ediert von Kerstin Hensel und Anton G. Leitner

 

Manfred Klenk

Frühburgunder

Nur einmal noch
Unter dem schützenden Feldgehölz,
dem leuchtenden Rot der Vogelbeere,
Auf Sommerwiesen im Liegen
Den Frühburgunder entkorken,
Ihn mit der Leidenschaft
der Jugend teilen.

Bei Windstille, im gleißenden Licht
Barbusig schwitzen, geborgen
Im Schatten der Eberesche,
Auf wildem Gras ein sanftes Tuch
Entblößter Haut, Neugierde wecken.

Nur einmal noch
Weinrote Wangen im Spiegel
Der Augen, leuchtkräftigen Opals
Blaugrünes Erscheinen und
Schluck für Schluck
Der Lippen hastiges Erhitzen,
Mit jedem Kuss vereinen
Den fermentierten Saft aus Trauben.

Süßkirschen Lust im Gaumen
Mit Gerbstoff mineralisch verteilt,
Der Mund verlorenem Tropfen,
Der Drosselbeere nacheilt,
Begierde aufzufangen,
Im Spiel der Zungenspitzen
Obsessives Verlangen
Nach Wein aus Porenritzen.

Grand Cru, Cuvée der Zweisamkeit
Aus Rebenblut und Liebesschnee,
Aus Übermut und Zärtlichkeit
Dem Sommer sich hingeben
Nur einmal noch.
 

© Manfred Klenk, geboren 1950 in Mannheim, lebt dort.

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