»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer
Ulf Großmann
Gebrauchsanleitung Lerche
Du wirst gestanden an Grenzen
Beim öffnen Polystyrolwald
Und viel schön Verpackung
Wird schon erklingen Melodie
Schwirren durch ganze Raum
Wie Mücke Licht bringt
Lied wie nette Winkekatze
Winkearm wie gedicht
Du wirst schön merken
Wie Junger tag
Als hörst du eigen singen
Und deine Winkearm
Wohnung wird leuchten
Hell wie Loderflamme
Du wirst glücklich Taumeln
Wie winkekatze leuchtet tut
Wenn plötzlich sinken nieder
Wie Winkekatze ohne Arm
Zuckt vielleicht wie angestochen Fledermaus
Du vielleicht Erschrocken aber ruhig bleibt
Wenn Melodie kaputt
Fehler 1: armer kalter Rest
Fehler 2: verflattert versungen
Fehler 3: Winkekatze aus Nest geflogen
Auch du willst Tränen weinen
Wenn es dich Drängen dazu
Auch dein leben endet wird
Ausgewunken du Hast
Aber Hilfe da noch schwerer
Bleibt nur Loch in boden
Lerche an uns rücksenden
Dich zurücksenden an Heimat
© Ulf Großmann, Fuchstal (b. München)
+ Das Original
Annette von Droste-Hülshoff
Die todte Lerche
Ich stand an deines Landes Grenzen,
An deinem grünen Saatenwald,
Und auf des ersten Strahles Glänzen
Ist dein Gesang herabgewallt;
Der Sonne schwirrtest du entgegen,
Wie eine Mücke nach dem Licht,
Dein Lied war wie ein Blüthenregen,
Dein Flügelschlag wie ein Gedicht.
Da war es mir, als müsse ringen
Ich selber nach dem jungen Tag,
Als horch’ ich meinem eignen Singen,
Und meinem eignen Flügelschlag;
Die Sonne sprühte glühe Funken,
In Flammen brannte mein Gesicht,
Ich selber taumelte wie trunken,
Wie eine Mücke nach dem Licht!
Da plötzlich sank und sank es nieder,
Gleich todter Kohle in die Saat;
Noch zucken sah ich kleine Glieder,
Und bin erschrocken dann genaht.
Dein letztes Lied, es war verklungen,
Du lagst ein armer, kalter Rest,
Am Strahl verflattert und versungen,
Bei deinem halbgebauten Nest.
Ich möchte Thränen um dich weinen
Wie sie das Weh vom Herzen drängt;
Denn auch mein Leben wird verscheinen,
Ich fühl’s, versungen und versengt.
Dann du mein Leib, ihr armen Reste,
Dann nur ein Grab auf grüner Flur
Und nah nur, nah bei meinem Neste,
In meiner stillen Heimath nur!
+ Zum Autor
Ulf Großmann, geboren 1968 in Freiberg (Sachsen), lebt, nach Stationen als Baufacharbeiter und als Verwaltungsfachangestellter in sächsischen Landesministerien, heute als Autor und Herausgeber in Fuchstal (Bayern). Ehemals langjähriger red. Mitarbeiter der Literaturzeitschrift Ostragehege. Zusammen mit Axel Helbig Herausgabe von »Skeptische Zärtlichkeit. Junge deutschsprachige Lyrik« (Leipziger Literaturverlag 2009).
Zahlreiche Veröffentlichungen von Gedichten, Kurzgeschichten und Rezensionen in Literaturzeitschriften (etwa in außer.dem, Wortwerk, Lichtungen) und Anthologien. Mehrere literarische Preise (u. a. Kammweg-Förderpreis 2011 und 2017, Preis der Berner Bücherwochen 2011 und ebenda Sonderpreis 2019) sowie Stipendien (u. a. Arbeitsstipendium des Freistaates Sachsen 2020). Zuletzt erschienen sind von Großmann der Erzählungsband »Bescherung« (Zwiebook 2017) und der Lyrikband »Nachtränder« (Elif 2018).
»Gedichte mit Tradition« im Archiv
Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden zweiten Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.