»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer
Jan-Eike Hornauer
Die heiße Kameradin
Ich hatt’ ne Kameradin,
die war wie Dynamit.
Und wenn sie losmarschierte,
kam jeder gerne mit.
Sie war so grrr, so lechz-lechz,
und das auf Schritt und Tritt.
Wir dachten nie: ›Das rächt sich!‹
Nur: ›Das macht Appetit!‹
So kamen wir in Kriege,
wo mancher grausam litt.
Und hielten doch zusammen,
denn sie war unser Kitt.
Und viele von uns starben.
Bald war’n wir nur zu dritt.
Da ging sie – bamm! – in Fetzen
durch echtes Dynamit.
Wir ham sie teils begraben
(so ganz ging’s eben nit)
und gaben ihr nebst Tränen
auch noch Granaten mit.
Dann gingen wir nach Hause,
mit Welt und Kämpfen quitt.
Hier träumen wir noch heute
von ihr, vom Dynamit.
© Jan-Eike Hornauer, München
+ Zu Original und Hintergrund
Inspiriert ist »Die heiße Kameradin« durch Ludwig Uhlands »Der gute Kamerad«. Jenes Gedicht von 1809 ist ins Liedgut erst der Wehrmacht sowie hernach des österreichischen Bundesheeres und der deutschen Bundeswehr eingegangen. Dort hat es bis heute – freilich in einer leicht modifizierten und so auch dem einfacheren Geiste besser genügenden Fassung (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Der_gute_Kamerad) – eine prominente Stellung inne, und von dort strahlt es letztlich auch immer noch deutlich in die Zivilgesellschaft aus.
Ludwig Uhland
Der gute Kamerad
Ich hatt’ einen Kameraden,
Einen bessern findst du nit.
Die Trommel schlug zum Streite,
Er ging an meiner Seite
In gleichem Schritt und Tritt.
Eine Kugel kam geflogen,
Gilt’s mir oder gilt es dir?
Ihn hat es weggerissen,
Er liegt mir vor den Füßen,
Als wär’s ein Stück von mir.
Will mir die Hand noch reichen,
Derweil ich eben lad.
Kann dir die Hand nicht geben,
Bleib du im ew’gen Leben
Mein guter Kamerad!
+ Zum Autor
Jan-Eike Hornauer, geboren 1979, lebt als freier Textzüchter (Autor, Herausgeber, Lektor und Texter) in München. In Lübeck auf die Welt geworfen, aufgewachsen in Hausen bei Aschaffenburg, Studium der Germanistik und Soziologie in Würzburg. Seine literarischen Schaffensschwerpunkte sind: Lyrik (u. a. komische Gedichte) und Kurzgeschichten unterschiedlichster Stimmungslage. Er ist zweiter Vorsitzender des Münchner Künstlervereins »Realtraum«, freier Redakteur bei »DAS GEDICHT blog« sowie Mitglied der »Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik« (GZL, Leipzig).
Zuletzt von ihm erschienen sind sein zweiter Solo-Lyrikband »Das Objekt ist beschädigt – zumeist komische Gedichte aus einer brüchigen Welt« (muc Verlag 2016) und »Wenn Liebe schwant«, eine Anthologie mit neuen komischen Liebesgedichten zeitgenössischer Poeten (muc Verlag 2017). Dazu Veröffentlichungen in Anthologien (u. a. erschienen bei Reclam und dtv), in Literaturzeitschriften (wie DAS GEDICHT, Versnetze, Flandziu, Poesiealbum neu, Etcetera und Poesie Agenda) und Publikumsmedien (z. B. taz und Main-Echo sowie WDR 3 und 5).
Auf »DAS GEDICHT blog« hat er u. a. mehrere Online-Anthologien verantwortet, zu denen er auch je eigene Beiträge beigesteuert hat (etwa »Wenn Liebe schwant III« und »Vom Leder gezogen – zur EM 2016 in Frankreich«). Zusammen mit Alex Dreppec und Fritz Deppert hat er hier überdies die Reihe »Lockdown-Lyrik« herausgegeben, in der zahlreiche Poetinnen und Poeten den ersten Corona-Shutdown unmittelbar lyrisch begleitet und kommentiert haben.
Textzuechterei.de/autor.html
»Gedichte mit Tradition« im Archiv
Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden zweiten Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.