Gedichte mit Tradition, Folge 252: »Auszug« von Jan-Eike Hornauer

»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer


Jan-Eike Hornauer

Auszug

Ach, nichts ist mehr im Haus als Leere.
Wodurch der Mutter Schritt gewaltig hallt.
Wenn doch nur Kinderlachen wäre,
Geschrei auch mal, bis dass es knallt!

Erwachsen sind nun ihre Kleinen.
Und wer erwachsen ist, zieht aus.
Sie sagt sich, da gibt’s nichts zu weinen.
Ihr Schluchzen tönt darauf durchs Haus.

Ja, was wird hier denn nun noch kommen?
Im Grunde nichts – und dann der Tod.
Oh, plötzlich sieht sie ganz verschwommen,
dazu gibt’s größte Atemnot.

Die Mutter fällt ins Bodenlose,
hinein in schwarze Ewigkeit.
Sie denkt noch kurz: »Verfluchte Chose!«
Dann ist von allem sie befreit.

Und als ihr Mann sie abends findet,
da liegt sie starr und völlig kalt.
Ach, welch ein Schrei sich ihm entwindet
und endlos grausam widerhallt!

Es kniet verzweifelt und verloren
der Vater nun in seinem Haus.
Familienglück wurd’ hier geboren.
Und jetzt, da meint es größten Graus.

Nur Tage später steht in Flammen,
was Heimat einst gewesen war.
Es sitzt, voll Ruß, bedeckt mit Schrammen,
der Vater vorm Inferno da.


© Jan-Eike Hornauer, München

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Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden zweiten Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.



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