»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer
Christian Düfel
Weihnachten
U-Bahn Bus und Züge rasen
tausend Lichter überall
hell und klar die Kassen klingeln
digital die Englein singen
In den Fenstern der Computer
buntes Spielzeug-Amazon
und die Kinder stehn und staunen
sind vor Auswahl ganz
verrückt
Wandre Mensch mal von den Massen
schau hinaus ins weite Feld
und dann summe in den Gassen
ach wie schön ist doch die Welt!
Komm zurück nicht glühweintrunken
in die weihnachtliche Zeit
hörst du wieder Glöckchen klingen?
Oh du gnadenreiche Zeit!
© Christian Düfel, Erlangen
+ Das Original
Joseph von Eichendorff
Weihnachten
Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.
An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.
Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus ins freie Feld,
Hehres Glänzen, heilges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!
Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schnees Einsamkeit
Steigt’s wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit!
+ Zum Autor
Christian Düfel wurde 1965 in Nürnberg geboren. Nach dem Abitur am humanistischen Gymnasium Fridericianum in Erlangen studierte er u. a. Theologie und christliche Archäologie sowie Kunstgeschichte. Er arbeitete, nach seinem Vikariat an der St.-Egidien-Kirche in Nürnberg, als wissenschaftlicher Assistent im Bereich Ältere Kirchengeschichte und als Lehrer an verschiedenen Gymnasien. Danach war er Referent für Kultur und Bildung im zentralen Büro des Deutschen Evangelischen Kirchentags in Fulda, bevor er Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im evang.-luth. Dekanat Erlangen wurde. Als Beauftragter der evang.-luth. Kirche in Bayern bereitete Düfel dann das Reformationsjubiläum 2017 vor, anschließend ging er als theologischer Leiter der Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Erwachsenenbildung nach München. Seit September 2020 ist er nun Pfarrer an der St.-Matthäus-Kirche in Erlangen.
Schon seit Jugendtagen der Lyrik verbunden, organisierte und unterstützte Düfel in Zusammenarbeit mit Anton G. Leitner immer auch Poesieprojekte (u. a. die große Nacht der Poesie »Die Hoffnung fährt schwarz« beim ökumenischen Kirchentag 2010 in München, das Anthologieprojekt »Reformatio | Reset – Pausenpoesie zum Neustarten« zum Reformationsjubiläum 2017, die Erlanger Poesienacht »ungesagt göttlich« 2019 und seit 2020 die Reihe »Poesie und Orgel« in St. Matthäus, Erlangen).
Als belletristischer Autor schreibt Christian Düfel seit jeher überwiegend Lyrik. Gedichte von ihm wurden bislang etwa in DAS GEDICHT, in kirchlichen Publikationen und in Anthologien (u. a. »Die Bienen halten die Uhren auf – Naturgedichte«, hg. v. Anton G. Leitner, Reclam 2020) veröffentlicht. Er lebt mit seiner Frau, der Kantorin, Cembalistin und Organistin Susanne Hartwich-Düfel, in Erlangen und hat zwei erwachsene Töchter.
»Gedichte mit Tradition« im Archiv
Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden zweiten Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.