»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer
Jan-Eike Hornauer
Frühlingssonett
Frühling, ach, wie ich dir dank:
Dass durch dich nun alles blüht,
macht mich schon seit Wochen krank.
Ja, du schlägst mir aufs Gemüt!
Pack dein blaues Band nur ein
und dich fort für allemal!
Schön und freudvoll willst du sein?
Nichts bist du als schiere Qual!
Du bescherst mir Rotz und Tränen,
Jucken, Husten, Atemnot.
Wer soll sich denn danach sehnen,
ist denn gern im Sein bedroht?
Frühling, dich braucht keine Sau:
Fort mit dir, geh weg, ja, ciao!
© Jan-Eike Hornauer, München
+ Das Original
Eduard Mörike
Er ist’s
Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab ich vernommen!
+ Zum Autor
Jan-Eike Hornauer, geboren 1979, lebt als freier Textzüchter (Autor, Herausgeber, Lektor und Texter) in München. In Lübeck auf die Welt geworfen, aufgewachsen in Hausen bei Aschaffenburg, Studium der Germanistik und Soziologie in Würzburg. Seine literarischen Schaffensschwerpunkte sind: gereimte Lyrik (u. a. komische Gedichte sowie Gedichte zu den Themen Liebe, Gesellschaft und Tiere) und Kurzgeschichten unterschiedlichster Stimmungslage. Er ist zweiter Vorsitzender des Münchner Künstlervereins »Realtraum«, freier Redakteur bei »DAS GEDICHT blog« sowie Mitglied der »Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik« (GZL, Leipzig). Gedichte von ihm sind u. a. erschienen in Publikumsmedien (wie taz und Main-Echo sowie WDR 3 und 5), in Anthologien (u. a. bei Reclam und dtv) sowie in Literaturzeitschriften / -reihen (z. B. DAS GEDICHT, Versnetze, Poesiealbum neu, etcetera und Poesie Agenda).
Zuletzt von ihm als Buch herausgekommen sind sein zweiter Solo-Lyrikband »Das Objekt ist beschädigt – zumeist komische Gedichte aus einer brüchigen Welt« (muc Verlag 2016) und »Wenn Liebe schwant«, eine Anthologie mit neuen komischen Liebesgedichten zeitgenössischer Poeten (muc Verlag 2017).
Auf »DAS GEDICHT blog« hat er u. a. mehrere Online-Anthologien verantwortet, zu denen er auch je eigene Beiträge beigesteuert hat (etwa »Wenn Liebe schwant III« und »Vom Leder gezogen – zur EM 2016 in Frankreich«). Zusammen mit Alex Dreppec und Fritz Deppert hat er hier überdies die Reihe »Lockdown-Lyrik« herausgegeben, in der zahlreiche Poetinnen und Poeten den ersten Corona-Shutdown unmittelbar lyrisch begleitet und kommentiert haben.
Textzuechterei.de/autor.html
»Gedichte mit Tradition« im Archiv
Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden zweiten Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.