»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer
Fitzgerald Kusz
houchmoud
nach andreas gryphius
du sichsd wouhiisd aa schausd
blouß houchmoud um diich rum
wos haid nu annä aufbaud
reißd morng ä andrä um
wou haid nu heisä schdennä
wächsd morng scho widdä groos
su is – su bleibds – des is unsä los
wos haid bläihd werd morng dädredn
nix bleibd übri – ä boä baa
nix häld ewi – aa ka schdaa
amall däwischds enn jedn
© Fitzgerald Kusz, Nürnberg
+ Das Original
Andreas Gryphius
Es ist alles Eitel.
DU sihst / wohin du sihst nur Eitelkeit auff Erden.
Was diser heute baut / reist jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn / wird eine Wisen seyn /
Auff der ein Schäfers-Kind wird spilen mit den Herden.
Was itzund prächtig blüht / sol bald zutretten werden.
Was itzt so pocht vnd trotzt ist Morgen Asch vnd Bein /
Nichts ist / das ewig sey / kein Ertz / kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück vns an / bald donnern die Beschwerden.
Der hohen Thaten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spil der Zeit / der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles diß / was wir vor köstlich achten /
Als schlechte Nichtikeit / als Schatten / Staub vnd Wind;
Als eine Wisen-Blum / die man nicht wider find’t.
Noch wil was Ewig ist kein einig Mensch betrachten!
+ Zum Autor
Fitzgerald Kusz wurde 1944 in Nürnberg geboren, wo er auch heute lebt. Nach dem Studium der Anglistik und Germanistik war er zunächst zehn Jahre lang Lehrer im Hauptberuf, schrieb aber schon durchgehend; seit 1982 ist Kusz freischaffender Schriftsteller. Zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz am Bande (1992) sowie zuletzt der August-Graf-von-Platen-Literaturpreis (2011), die Karl-Bröger-Medaille (2016) sowie der Bayerische Dialektpreis und der Bayerische Poetentaler (beide 2017).
Sein bekanntestes Werk ist »Schweig, Bub!«: Das 1976 am Staatstheater Nürnberg uraufgeführte fränkische Stück wurde bislang mehr als 700-mal gespielt, ist in zahlreiche andere deutsche Dialekte übertragen sowie in mehreren Hörspielfassungen aufgenommen. Daneben 22 weitere Theaterstücke, u. a. »Der fränkische Jedermann« (2001), sowie 15 Gedichtbände. Der Mundartdichter hat, schon lange bevor dies en vogue war, auch seine Lyrik im Heimatdialekt abgefasst – und damit bundesweit Anerkennung gefunden.
Zuletzt von Kusz erschienen sind die Haiku-Bände »Guuder Moond« und »Schdernla« (beide: ars vivendi 2015) sowie die Lyrik-Titel »Nämberch-Blues« und »Sunnablumma« (ars vivendi 2017 bzw. 2021).
www.Kusz.de
»Gedichte mit Tradition« im Archiv
Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden zweiten Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.