William Shakespeare
Sonnet 2
When forty winters shall besiege thy brow
And dig deep trenches in thy beauty’s field,
Thy youth’s proud livery, so gaz’d on now,
Will be a tatter’d weed, of small worth held:
Then being ask’d where all thy beauty lies,
Where all the treasure of thy lusty days,
To say, within thine own deep-sunken eyes,
Were an all-eating shame and thriftless praise.
How much more praise deserv’d thy beauty’s use,
If thou couldst answer »This fair child of mine
Shall sum my count and make my old excuse«,
Proving his beauty by succession thine!
This were to be new made when thou art old,
And see thy blood warm when thou feel’st it cold.
Max Joseph Wolffs Übersetzung nach Schlegel-Tieck von William Shakespeares
Sonett 2
Wenn vierzig Winter deine Stirne drücken
Und tiefe Furchen deiner Schönheit ziehn,
Sinkt deiner Jugend Kleid, von allen Blicken
Bewundert heut, zerfetzt und wertlos hin.
Wird man dich dann nach deiner Schönheit fragen,
Wo all die Pracht der frohen Jugend sei?
In deinem eingesunknen Blick zu sagen,
Wär’ größte Schmach und leere Prahlerei.
Ruhmreicher hättest Schönheit du verwendet,
Dürftest du sprechen: »Seht dies holde Kind,
Das mich entschuldigt, meine Rechnung endet,
Da sein als Erbe meine Reize sind.«
Dann bliebst du jung selbst in den spätsten Tagen
Und fühltest warm dein kaltes Blut noch schlagen.
Allgemein ist anzumerken: Mit Nachdichtungen von Shakespeare-Sonetten (neben »Sonnet 2« hat er bereits weitere Sonette frei in seine Muttersprache übertragen, sein »sonett 18« und sein »sonett 116« finden sich gar auch auch schon in den »Gedichten mit Tradition« veröffentlicht, Folge 223 und 249) stellt sich Fitzgerald Kusz zwangsläufig nicht nur in einen internationalen literarischen Kontext, sondern er führt auch eine deutsche Tradition fort: Denn die Kunst der Nachdichtung von Shakespeare-Sonetten (die im Ergebnis stark zwischen möglichst großer Worttreue und weitreichender Aneignung durch den Überträger schwankt) bildet durchaus eine eigene, so lange wie tiefe Traditionslinie in der deutschen Lyrikgeschichte. Eine recht profunde Übersicht von Beispielen zu Shakespeare-Sonett-Nachdichtungen aus dem 19. und zweimal aus dem 20. Jahrhundert findet sich etwa hier:
http://www.deutsche-liebeslyrik.de/europaische_liebeslyrik/shakespeare/shakespeare.htm
Und auch im 21. Jahrhundert wird diese Tradition munter und hochkarätig fortgeführt, etwa in der Frankfurter Anthologie von Hans Christoph Buch im Januar 2022 oder im umfangreichen Nachdichtungsprojekt ausgewählter Shakespeare-Sonette von Helmut Krausser (2012 in drei Bänden erschienen bei Hochroth).
Was nun Kusz, der auch zusammen mit Gitarrist Klaus Brandl unter dem Motto »Blues & Kusz« lyrisch-musikalische Abende und CDs im Programm hat, besonders wichtig ist: Die Musikalität, der Sound und Schwung der Shakespeare-Sonette.
Und was er mit seinen Shakespeare-Sonett-Nachdichtungen zudem freilich fortführt: echte Literatur und Mundart zusammenzubringen – was ja bekanntlich auch das Lebenswerk des Nürnbergers beschreibt.