»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer
Thomas Glatz
Ich
Stand erst vor der Tür.
Die war verschlossen.
Griff nach dem Schlüssel.
Sperrte auf.
Dann betrat ich das Gedicht.
Bin nun das lyrische Ich.
© Thomas Glatz, München
+ Das Original
Unbekannter Verfasser
Klopslied
Ick sitze da un’ esse Klops,
uff eemal klopp’s.
Ick kieke, staune, wundre mir,
uff eemal jeht se uff, de Tür.
Nanu, denk ick, ick denk, nanu!
Jetz isse uff, erscht war se zu.
Ick jehe raus und blicke,
und wer steht draußen? Icke. Icke! Icke!!
+ Zum Autor
Thomas Glatz, 1970 in Landsberg geboren, lebt als Künstler, Schriftsteller und Sozialpädagoge in München. Er studierte Sozialarbeit in Landshut und Bamberg sowie Bildende Kunst an den Kunstakademien in München und Helsinki. Als Autor verfasst er vor allem kürzere Prosa, Hörspiele, zuweilen Gedichte. Seit 2000 leitet er das »Archiv für Gebrauchs- und Benutztexte«. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. erhielt er 2007 das Heinrich-Gartentor-Stipendium des ersten und unabhängigen Schweizer Kulturministers, 2010/11 das Literaturstipendium des Freistaats Bayern, 2012 den Leipziger Hörspielpreis (zusammen mit Colin Djukic, Gerhard Lassen und Florian Schenkel), 2015 den Leserpreis der Gesellschaft der Lyrikfreunde. Zuletzt von Thomas Glatz erschienen sind: die Mini-Romane »Die übrige Zeit bis zum Bestimmungsort« und »Beinaheallgäukatzenkrimi« (beide: Black Ink).
»Gedichte mit Tradition« im Archiv
Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.
Danke lieber Jan für die Ausgrabung dieser unwiderstehlichen Berliner-Slang-Zeilen:
das Klopslied! und diesmal sogar vollständig! … und immer noch voller Charme und
tiefdeutschem Witz und Humor. Und danke natürlich an Thomas Glatz, der erheblich
dazu beigetragen hat mit sich und seinem lyrischen Ich, Herr-l-ich!