Lockdown-Lyrik 39: »Drei Corona-Miniaturen« von Jan-Eike Hornauer

»Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung von Gedichten, die sich mit der Corona-Krise befassen. Es darf uns die Sprache nicht verschlagen! In loser Folge erscheinen neue Episoden der von Alex Dreppec, Jan-Eike Hornauer und Fritz Deppert herausgegebenen Anthologie.

 

Jan-Eike Hornauer

Drei Corona-Miniaturen
 

Corona, persönlich

14 Tage
keinen Menschen mehr
berührt

Folter

 

Verhältnismäßigkeit

Jetzt haben
eine sehr gute Freundin
und ich am Sonntag
bei kühlem und trübem Wetter
kurz im Park auf einer Bank
gesessen mit großem Abstand

Um uns herum:
niemand

Ein Polizeibus kam heran
spuckte zwei Polizisten aus
(drei weitere blieben in seinem Bauch)

die uns ermahnten
mit Strafe bedrohten
und – lächelnd – vertrieben

Wir mussten
weiter spazieren gehen
öffentlich zu sitzen
ist jetzt
strikt verboten
(zu stehen übrigens auch)

 

Nur noch Angst

Wenn das Virus
so bedrohlich wäre
wie die Hysterie
die in erschreckendem Ausmaß
um sich greift
behauptet
hätte ich nur noch Angst

Zum Glück weiß man
oder kann es doch wissen
eine Gefahr ist da
– aber um wie vieles kleiner

Ich atme
tief durch

 

© Jan-Eike Hornauer, München
 

 

Zu dieser Reihe: »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung zu den aktuellen Auswirkungen der Corona-Krise. Wir wollen im Gespräch bleiben, während wir Infektionsketten unterbrechen. Wir wollen die Erfahrung der Vereinzelung miteinander teilen. Wir wollen virtuelle Brücken bauen. Wir wollen das tun, was wir können: dichten, die Welt – und auch die aktuelle Situation – poetisch erfassen.

Unser Anliegen ist es in jedem Fall, zu einem Mehr an Besonnenheit beizutragen, zu versöhnen statt zu spalten. Mit Sorge sehen wir überharte Diskussionen, wie sie derzeit online, aber auch offline zu häufig geführt werden. Klar ist uns: Es gehört zu einer Demokratie dazu, Konflikte auszutragen. Aber wir insistieren auch hierauf: Es ist ebenso unerlässlich, sich des Gemeinsamen, Verbindenden bewusst zu sein und zu werden sowie respektvoll miteinander umzugehen.

Uns ist bewusst, dass bereits der Ansatz, zur Corona-Pandemie eine Lyrik-Online-Anthologie herauszugeben, ihre Auswirkungen zeitnah lyrisch zu behandeln, und dies aus verschiedenen Perspektiven sowie in unterschiedlichen Tonlagen, als Provokation aufgefasst werden kann. So ist diese Sammlung keineswegs gemeint. Ihr Thema an sich ist jedoch eben hochemotional besetzt. Für uns, die Herausgeber der Reihe, bleibt trotzdem und gerade deshalb wichtig: Wir wollen Brücken bauen, Perspektiven weiten, der ungewohnten Situation mit poetischen Mitteln und im gemeinschaftlichen Sinne begegnen.

Bleiben Sie gesund!

Alex Dreppec, Jan-Eike Hornauer, Fritz Deppert
 
PS: Alle bereits geposteten Folgen von »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« finden Sie hier. In loser, jedoch zügiger Folge wird die Sammlung erweitert.

 

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