Melanie am Letzten – Folge 67: Apokalyptische Begegnungen

Es ist ein Wahnsinn, ein Irrsinn und nicht selten ein Blödsinn: So geht es zu im Tollhaus Welt. Der Mensch neigt zu seltsamen Verhaltensweisen, die schockieren, alarmieren oder amüsieren können. Was hilft zu guter Letzt? Die Poesie. Nicht ärgern, stänkern oder meckern, sondern dichten – meint die schwarzhumorige Poetin Melanie Arzenheimer und kommentiert die Deadlines des Lebens jeweils am Monatsende auf DAS GEDICHT blog.

 

Lacht er? Oder fletscht er die Zähne? Hinter so einer Atemschutzmaske ist das wirklich kaum zu erkennen. Und das macht das Zusammentreffen von – vorbildlich geschützten – Menschen derzeit so unheimlich. Im medizinischen Umfeld kann sich der humanoide Verstand das ja noch erklären. Klar. Prävention muss ein. Aber im Supermarkt, bei der Pressekonferenz oder an der Tankstelle, da wird’s echt seltsam, weil ungewöhnlich. Man denkt unwillkürlich an einen Zombie-Film oder den Angriff Außerirdischer. Womöglich sind einige dieser Gestalten, deren Gesicht man nicht erkennt, bereits von einer unheimlichen extraterrestrischen Lebensform befallen worden und geben sich deshalb nicht zu erkennen. Der nahezu regungslose Tankwart könnte aber auch ein Untoter sein, der sich möglicherweise durch Benzinschnüffeln am Leben erhält. Und bei dieser Dame, die jeden Morgen ihren Hund spazieren führt, lag der Verdacht immer schon nahe, dass sie nicht von hier sein kann. Und ihr Hund auch nicht.

Beim Blick in tote Innenstädte (als Journalist ist man in diesem Tagen hin und wieder doch unterwegs) schlägt das Herz jedes „Lost Places“ Fotografen höher. Was für eine Kulisse! Gleich kommt der letzte Mensch auf Erden um die Ecke, verfolgt von einem Mensch-Maschine-Mischwesen, dem Coronator Modell 2020. Oh, nein. Es ist nur ein wackeres Mitglied der örtlichen Straßenreinigung. Mit Schutzmaske. Das sieht trotzdem „spooky“ aus. Und absolut filmreif.

Schließlich erinnert man sich in dieser Ödnis an die Untergangsklassiker schlechthin. Nein, nicht den Film „Titanic“ und auch nicht Edgar Allan Poes „Der Untergang des Hauses Usher“, sondern den christlichen Bestseller „Die Offenbarung des Johannes“, gemeinhin auch die Apokalypse genannt. Ganz bestimmt kommen jetzt in Kürze die vier apokalyptischen Reiter angebraust…

 

Verweigert

Dämlicher Klepper
schimpfte der Reiter
ein Weiter
reiten undenkbar
unlenkbar
der Gaul
dazu ausnehmend
faul

Verfluchtes Vieh
schrie sein fahler
Gefährte
der das Vorhaben
umgehend für
beendet
erklärte

Weil ein Vierbeiner
bockt
Apokalypse
gestoppt

 

© Melanie Arzenheimer, Eichstätt

 

Melanie Arzenheimer. Foto: Volker Derlath
Melanie Arzenheimer. Foto: Volker Derlath

»Melanie am Letzten« wird Ihnen von Melanie Arzenheimer präsentiert. Sie wurde 1972 in Eichstätt / Bayern geboren, wo sie heute noch wohnt. Melanie Arzenheimer arbeitet als freiberufliche Journalistin, Autorin und Hörfunkmoderatorin.
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Alle bereits erschienenen Folgen von »Melanie am Letzten« finden Sie hier.

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