Reisepoesie Folge 1:
Alfred Lord Tennyson │aus »Ulysses«

In 21 Folgen stellt die Online-Redaktion der Zeitschrift DAS GEDICHT internationale Reisepoesie aus vier Jahrtausenden vor. So können Sie sich gemeinsam mit uns auf den Weg zur neuen Ausgabe von DAS GEDICHT begeben. Die buchstarke Nummer 21 wird ab Herbst 2013 zeitgenössische Gedichte versammeln, die ums Reisen kreisen.

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http://youtu.be/f1Co8yZjM10

Alfred Lord Tennyson
aus »Ulysses«

Mein Wandern kennt kein Rasten. Trinken will ich
vom Kelch des Lebens bis zum letzten Schluck.
Genießen durfte ich – und Leiden – allzeit
in höchsten Maßen, beides mit Menschen, die
mich liebten und allein, an Land und als
die feuchten Hyaden das düstre Meer erzürnten
im bögebeugten Sturm. Denn so entstand
der Name, der ich bin. Ich bin – und da
ich immerfort mit unersättlichem Herzen
umhergetrieben bin – einer, der vieles
gesehen hat und in vielem bewandert ist.
In Städte vieler Menschen ging ich ein:
Ihr Klima, Sitten, Räte und Regierung
beschaute ich und war nicht der Geringste
inmitten dieser Menschen, sondern viel
geehrt. Des Krieges trunkene Wollust
ging durch mich als mit meinen Peers
ich auf dem tobenden Schlachtfeld vor Troia
(der windumbrausten Stadt) berauscht mich schlug.
Ich bin ein Teil von alledem, dem ich
begegnet bin, und doch ist all Erfahrung
bloß jener Bogen, worin die unberührte
und nichtbereiste Welt sich schillernd zeigt:
doch ihre Ränder schwinden ewiglich,
sooft ich ruhlos mich darin bewege.

(übersetzt für dasgedichtblog von Paul-Henri Campbell)

Über Alfred Lord Tennyson

Alfred Lord Tennyson (1809 – 1892) gehörte zu den einflussreichsten Dichtern im viktorianischen England. Das Langgedicht »Ulysses,« woraus wir hier nur einen kleinen Ausschnitt präsentieren, ist der Soundtrack zum inneren Monolog des Vielgewanderten (Original). Die Perspektive ist rückblickend: Ulysses bleibt auch bei seiner Ankunft in Ithaka hin- und hergerissen zwischen dem unersättlichen Drang zum Reisen und den Einsichten, zu denen er auf seiner Fahrt gelangt war.

Diese Auswahl von Reisegedichten aus vier Jahrtausenden wird Ihnen von Paul-Henri Campbell präsentiert. Campbell ist 1982 in Boston (USA) geboren und schreibt Lyrik sowie Prosa in englischer und deutscher Sprache. Zuletzt erschien »Space Race. Gedichte:Poems« (2012). Im Herbst erscheint »Am Ende der Zeilen. Gedichte.«

Mehr Reisegedichte erwarten Sie in DAS GEDICHT 21 (erscheint im Oktober 2013).

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