Die begleitende Netz-Anthologie zu DAS GEDICHT 25,
zusammengestellt und ediert von Anton G. Leitner und José F. A. Oliver
Lars-Arvid Brischke
januar
ich schlief zusammen-
gefaltet bei den ausgestopften vögeln
am morgen fand ich mich vorm rohr-
kolben eines altflandrischen malers farbrest
der aus allen wolken quoll
der bodensee war zugefroren & ich sah
den grund drei meter unter meinen füßen
& konstanz lag zum greifen nah die kinder
gekleidet als propheten trugen transparente
sterne über allen hauseingängen
dreikönigsformeln & parolen an den wänden:
hus verbrannt +++ drewermann verbannt +++ ossis raus!
& in den fenstern fackelten die kerzen
nicht mehr lange friedefürst
war nicht in sicht in ratsherrenhof & konzil
dachte man sich vage erklärungen aus
ratloskeit pflanzte ich schließlich
einen apfel zwischen prächtige bäume
als der alltag aufs neue begann
in den garagen
reinigte man autos mit dampf
& rieb sie ein mit wachs
dass ihr lack wieder
ewig glänzte.
© Lars-Arvid Brischke, geboren 1972, lebt in Berlin.
»DAS GEDICHT 25: Religion im Gedicht«,
herausgegeben von Anton G. Leitner und José F. A. Oliver