Das flüchtige Schöne einfangen – Folge 16: Sandra Blume »Philemon & Baucis auf dem Meileshof«

Für eine neue Netz-Anthologie hat sich das Online-Forum der Zeitschrift DAS GEDICHT, www.dasgedichtblog.de, auf die Suche nach dem Schönen gemacht. Schließlich ist die Kunst seit Jahrhunderten auch eine Instanz der Ästhetik.
Und wenngleich seit längerem eine gewisse Scheu vor dem Schönen im modernen Kunstbetrieb herrscht und Schönheit heute oft reduziert wird auf den schönen Schein, auf das Streben nach Idylle oder die Anbetung getrimmter Körper – möchte die neue Netzanthologie von Redakteurin Sandra Blume der Schönheit in der Kunst einen besonderen Platz einräumen.
Über 40 Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben mehr als 100 Gedichte zum Thema »Das flüchtige Schöne einfangen« eingereicht. 16 ausgewählte Texte werden jeden Mittwoch zum Lesen und Hören auf DASGEDICHTblog veröffentlicht und laden dazu ein, jener Schönheit, die beim Betrachter Freude, Trost und Glück – wenigstens für kurze Augenblicke – auszulösen vermag, auf die Spur zu kommen.

 

Sandra Blume liest: »Philemon & Baucis auf dem Meileshof« von Sandra Blume

 

Sandra Blume

Philemon & Baucis auf dem Meileshof

Ihr Garten ruht nun verwaist
Im Gefilde:
Dort, wo der Rain abschüssig geht
Wo die weiten Felder aneinander stoßen
Wo das Dorf lange zuende ist
Dort schufen die beiden Alten
Über Jahre
Einen friedlichen Ort.
Zogen tagtäglich den
Kopfsteingepflasterten Weg hinauf
Auf den Hügel.
An ihrer Seite
Den grau gewordenen Schäferhund.
So viele Schollen gewendet
So viele Steine geschichtet
Hecken und Stauden gepflanzt.
Ihr Garten war
Gestalt gewordene Lebenszeit
Als die Tage beschwerlicher wurden
Und der Gang ihrer Schritte sich
Verlangsamte.
Bis sie plötzlich starb.
Nur wenig später folgte er ihr nach.
Nun sind die Fenster und Türen der Laube
Verschlossen.
Die Beete liegen brach
Die Bänke stehen verlassen
Vor der Aussicht.
Sie konnten nichts mitnehmen.
Nur jeden einzelnen genossenen Tag.

 

© Sandra Blume, Eisenach

 

 

 

Sandra Blume. Foto: Yvonne Bartsch
Sandra Blume. Foto: Yvonne Bartsch

Sandra Blume (Jahrgang 1976) hat Geschichte, Kulturwissenschaften und Journalistik studiert. Sie arbeitet seit 2005 als freie Texterin, PR-Beraterin und Theaterdramaturgin. Seit 2013 ist sie Pressesprecherin des Wartburgkreises in Thüringen. Sie hat bei zahlreichen Lese-, Radio- und Theaterveranstaltungen mit einer »lyrischen Zärtlichkeit des Lauschens und Staunens« dem Publikum so manches Gedicht neu eröffnet. 2017 hat sie auf DAS GEDICHT blog bereits die Online-Anthologie »Lyrik rettet den Montag« herausgegeben und hörbar gemacht. Gedichte der Autorin sind in diversen Anthologien zu finden, 2018 hat sie im Landstreicher Verlag den Wandkalender „Beginnende Tage“ mit Texten und Fotografien veröffentlicht.

Ein Kommentar

  1. Liebe Sandra Blume, ihre Art Gedichte und Geschichten zu schreiben und vorzutragen gefällt mir sehr. Es ist ein Leckerbissen der Poesie und Lyrik. Ihre Gedanken und ihre Stimme sind ein Geschenk der Natur. Ihr Charme lässt
    Worten Blüten wachsen. Deren Duft bringt Herzen zum wanken.
    So auch am 21.08. 2019 in Eisenach im “Lebemann”, zur Nacht der Poesie. Unverkennbar einer eigene Note und
    Phantasie liegen ihre Worte auf der Zunge. Von da aus sprüht es aus ihrer Kehle, wie eine zarte Sinfonie.
    Behalten sie sich diese eigenartige Frische.
    Mit allen guten Wünsche begleite ich Sie.
    Werner Damm

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert