Lockdown-Lyrik 85: »Nähaktivität« von Katharina Eismann

»Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung von Gedichten, die sich mit der Corona-Krise befassen. Es darf uns die Sprache nicht verschlagen! In loser Folge erscheinen neue Episoden der von Alex Dreppec, Jan-Eike Hornauer und Fritz Deppert herausgegebenen Anthologie.

 

Katharina Eismann

Nähaktivität

Papierschiffe gebaut
Schreibtisch umsegelt
träge Plage ausgesessen
Jogginghose in die Metropole
getupfter Mundschutz umgebunden
Shoppingmeile hinter Gittern

eine frische Ladung Chlorophyll
Gartenvereinsmeier zwergeln
unter Tage
jagen Ratten
Felder geldern in Quarantäne
wann landen die Erntehelfer

Nähaktivität im Äther
geblümte Schürzen umgebunden
türkische Hausfrauen berserkern
die Taschen gefüllt mit Desinfektions-
flaschen

Poesiebonds aufgespannt
Grenzgänger gaffen über Europas Rand
ohne Mundschutz

 

© Katharina Eismann, Offenbach und Seligenstadt

 

Zu dieser Reihe: »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung zu den aktuellen Auswirkungen der Corona-Krise. Wir wollen im Gespräch bleiben, während wir Infektionsketten unterbrechen. Wir wollen die Erfahrung der Vereinzelung miteinander teilen. Wir wollen virtuelle Brücken bauen. Wir wollen das tun, was wir können: dichten, die Welt – und auch die aktuelle Situation – poetisch erfassen.Unser Anliegen ist es in jedem Fall, zu einem Mehr an Besonnenheit beizutragen, zu versöhnen statt zu spalten. Mit Sorge sehen wir überharte Diskussionen, wie sie derzeit online, aber auch offline zu häufig geführt werden. Klar ist uns: Es gehört zu einer Demokratie dazu, Konflikte auszutragen. Aber wir insistieren auch hierauf: Es ist ebenso unerlässlich, sich des Gemeinsamen, Verbindenden bewusst zu sein und zu werden sowie respektvoll miteinander umzugehen.

Uns ist bewusst, dass bereits der Ansatz, zur Corona-Pandemie eine Lyrik-Online-Anthologie herauszugeben, ihre Auswirkungen zeitnah lyrisch zu behandeln, und dies aus verschiedenen Perspektiven sowie in unterschiedlichen Tonlagen, als Provokation aufgefasst werden kann. So ist diese Sammlung keineswegs gemeint. Ihr Thema an sich ist jedoch eben hochemotional besetzt. Für uns, die Herausgeber der Reihe, bleibt trotzdem und gerade deshalb wichtig: Wir wollen Brücken bauen, Perspektiven weiten, der ungewohnten Situation mit poetischen Mitteln und im gemeinschaftlichen Sinne begegnen.

Bleiben Sie gesund!

Alex Dreppec, Jan-Eike Hornauer, Fritz Deppert
 
PS: Alle bereits geposteten Folgen von »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« finden Sie hier. In loser, jedoch zügiger Folge wird die Sammlung erweitert.

 

Ein Kommentar

  1. Tolle Initiative, Lockdown-Lyrik. Ein Tagebuch aus Gedichten, das im zeitgeschichtlichen Strom von Corona mitwächst. Das Aktuelle wird in Worte gebrannt. So auch in dem Gedicht “Nähaktivität” von Katharina Eismann. Die Schlagwörter der Krise werden in Lyrik-Partikel verwandelt. Das Zeitgebundene wird zeitlos, das Momentane des Heute wird dadurch auch morgen noch greifbar bleiben.

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