Lockdown-Lyrik 2.0 / 067: »Still stehen« von Babette Dieterich

»Lockdown-Lyrik 2.0! Quarantäne poetisch ausleuchten – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung von Gedichten, die sich mit der Corona-Krise befassen. Es darf uns weiterhin die Sprache nicht verschlagen! In loser Folge erscheinen neue Episoden der nun von Sabine Schiffner, Anton G. Leitner, Alex Dreppec und Fritz Deppert herausgegebenen Anthologie (Dank an Jan-Eike Hornauer für die Mitherausgeberschaft bei Folge 1-154).

 

Babette Dieterich

Still stehen

Die Tage gehen so dahin,
so dahin gehen die Tage.
Sie gehen so dahin, weder da hin
noch dort hin.
Sie stehen.
Eigentlich stehen sie.
Ich kann da nicht mitgehen.
Ich muss das durchstehen.
Verstehen kann ich’s eh gerade nicht.

Ich steh also, ich steh.
Je länger ich steh, versteh ich’s vielleicht.
Vielleicht steh ich im Auge des Sturms.
Und alles dreht sich, dreht sich herum.
Oder ich steh wie ein Leuchtturm ohne Licht,
und versteh’s deshalb nicht.
Oder ich leuchte und seh’s nicht?
Und indem ich steh, stehen bleib,
weder geh noch mich wegdreh,
seh ich dann irgendwann,
worum es sich dreht?
Ohne durchzudrehen?

Vielleicht ist still stehen
doch kein Stillstand?

 

© 2021 Babette Dieterich, Stuttgart
(Redaktion: Anton G. Leitner und Alex Dreppec)

 

 

Lockdown Lyrik 2.0. Wir hatten gehofft, dass es zu keinem zweiten Lockdown mehr kommen würde. Aber jetzt ist er angeordnet, der sog. »Wellenbrecher-Lockdown«. Er beginnt in Deutschland ab Montag, den 2. November 2020 – mit der Aussicht auf triste Herbst- und Wintertage. Grund genug für die Redaktion der Jahresschrift DAS GEDICHT, ihre vieldiskutierte Netz-Anthologie zur Corona-Krise vom Frühjahr 2020 wieder hochzufahren. Möge diese Online-Sammlung zur Pandemie uns allen einmal mehr dabei helfen, tief Luft zu holen und möglichst viele Aspekte der weltweiten Katastrophe mit dem Instrumentarium der Lyrik auszuleuchten, damit wir und unsere Leserinnen und Leser mental nicht unter die zweite Welle geraten!

Sabine Schiffner, Alex Dreppec, Fritz Deppert und Anton G. Leitner
 
PS: Alle bereits geposteten Folgen von »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« finden Sie hier. In loser, jedoch zügiger Folge wird die Sammlung erweitert.

 

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