Gedichte für Kinder – Folge 91: Sieben Kindergedichte von Thomas Glatz

Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Missgeschick beim Zubereiten von Sauriereieis

Bei der Herstellung von Eis
aus einem Saurierei
ist uns das Ei zerbrochen.
Die Küche voll mit gelbem Brei!

Und das hat gerochen!
Hol schnell den Putzkübel her!
Sonst stinkt die Soße immer mehr!
Zu alt war das Ei.
Uraltes Dinosaurierei!
So eine Sauerei.

Dann gibt es halt kein Sauriereieis.
Nur eine Sauriereisauerei.

 

 

Kaputter Kuckuck

Vom Kuckuck in der Kuckucksuhr
Keine Spur.
Er ruft nicht mehr.
(Kuckuck)
Uhrmacher her!
(Ruckzuck)

 

 

Im Park mit den schönen Bäumen

Im Park
singen
die Spatzen
die Menschen
spazieren

den Menschen
fliegen die Fliegen
um die Nasen

die Spatzen
die Menschen
die Fliegen

von den Bäumen
von den vielen Bäumen
habe ich
noch gar nicht
gesprochen

(vermutlich
wegen der vielen
Fliegen)

dabei sind sie doch
das wichtigste im Park
die vielen Bäume
die schönen alten Bäume

(die Fliegen sind unwichtig
ich lasse sie
weg)

Ich bin selten im Park
obwohl es dort schön ist
weil ich …
weil ich …
weil ich …
Bäh!
Fliege verschluckt!

 

 

Die Dinge in meinem Zimmer

Was machen die Dinge in meinem Zimmer,
wenn ich nicht da bin?
Machen sie es sich gemütlich?
Drehen sie mir eine lange Nase?
Machen sie sich über mich lustig?
Machen sie es auch ohne mich?
Denken sie über mich nach?
Ruhen sie sich von mir aus?
Verfallen sie in eine Starre?
Schlafen sie?
Beten sie ihren Gott an?
Machen sie ihre Hausaufgaben?
Lästern sie über mich?
Denken sie an mich?

Manchmal denke ich an die Dinge in meinem Zimmer.

 

 

Die Blumen haben Durst

Die Blumen haben Durst.
Der Metzger schneidet Wurst.
Der Fischer fischt den Fisch.
Der Vater deckt den Tisch.
Der Postbote der schellt.
Die Ringelnatter bellt.
Der Briefträger der klingelt.
Der Metzgershund der ringelt
sein Schwänzchen.

Tisch gedeckt.
Ei abgeschreckt.
Vom Brot eine Scheibe
vom großen Laibe.
Ich sitz da und schreibe.
Schreib von Blumen, die dürsten,
Metzgershunden und Würsten
vom Fischer, der fischt,
der Mutter, die auftischt
und all den anderen Sachen.

Was gibt‘s denn da zu lachen?

Eine bellende Ringelnatter gibt es nicht?

Doch. Die gibt es.
In meinem Gedicht.

 

 

Aufschub

Gestern habe ich gedacht.
das wird morgen schnell gemacht.
Heute wollte ich, doch dann
war schon Übermorgen dran.

 

 

Hoch oben im Ahorn

Hoch oben im Ahorn
ein vergessenes Blatt.
Wer es vergessen hat?
Der Herbst?
Der Wind?
Der, der dieses Gedicht geschrieben hat?
Der, der es liest?
Der Baum?
Man weiß es kaum.

 

© Thomas Glatz

 

Thomas Glatz ist 1970 in Landsberg am Lech geboren. Er studierte Soziale Arbeit in Landshut und Bamberg und Freie Kunst an den Kunstakademien in München und Helsinki. Er lebt als Autor, Künstler und Sozialpädagoge in Buchloe und München. Thomas Glatz hat einige Miniromane im Verlag Black Ink und zuletzt den Roman „Ubbelohde“ im Berliner XS-Verlag veröffentlicht. Zum Schreiben von Kindergedichten sagt Glatz: „Mein Humor ist manchmal recht kindisch verspielt. Mir gefällt das Drauflosphantasieren mit Buchstaben und Wörtern. Es war zuerst nur ein Jux, ein Gedicht für Kinderlyrik-Rubrik in der Zeitschrift ‚Das Gedicht‘ zu schreiben.“ Seither schreibt er gern auch mal Gedichte für Kinder.

 

Uwe-Michael Gutzschhahn

 

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath
Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982), »Der Alltag des Fortschritts« (1996) und »Die Muße der Mäuse« (2018). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her«, im Frühjahr 2018 die Anthologie »Sieben Ziegen fliegen durch die Nacht« bei dtv Junior, die aus der Reihe »Gedichte für Kinder« hervorgegangen ist.

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

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