Zwei scheinbar ganz widerstrebende musikalische Gattungen nimmt Thomas Glatz mit seinem »Als wir jüngst zu Regensburg waren« zugleich aufs Korn: das Volkslied und die von Arnold Schönberg erfundene Zwölftonmusik. Sie stehen klar, wenn man eine Skala von E bis U als Maßstab nimmt, an den entgegengesetzten Enden.
Zugleich eint sie aber vor allem dies: Ihre Struktur- und Bauprinzipien sind so dominant, dass sie dem Absurden und Grotesken Tür und Tor sperrangelweit aufstoßen (auch wenn diese auf den einander entgegenlaufenden Prinzipen Harmonie bzw. Atonalität beruhen). Glatz führt mit leichter Hand diese Gemeinsamkeit vor, macht sich über E- und U-Musik gleichzeitig mit etwa an Dada und Wiener Gruppe geschultem Humor lustig.
Der umstrittene Höhepunkt der E-Musik findet sich dabei lediglich über den Namen seines Erschaffers in Glatz’ Nachbild eindeutig referenziert. Bezug genommen wird auf Schönberg jedoch zusätzlich durch den Veröffentlichungszeitpunkt dieser »Gedichte mit Tradition«-Folge: Sein Geburts- jährt sich am heutigen Tag, dem 13. September 2024, zum 150. Mal. Das direkte Text-Vorbild, seit Mitte des 19. Jahrhunderts schriftlich nachgewiesen, ist dieses:
Als wir jüngst in Regensburg waren
Als wir jüngst in Regensburg waren,
Sind wir über den Strudel gefahren;
Da war’n viele Holden,
Die mitfahren wollten.
Schwäbische, bayrische Dirndel, juchheirassa,
Muß der Schiffmann fahren.
Und ein Mädel von zwölf Jahren
Ist mit über den Strudel gefahren.
Weil sie noch nicht lieben kunnt’,
Fuhr sie sicher über Strudels Grund.
Schwäbische, bayrische Dirndel, juchheirassa,
Muß der Schiffmann fahren.
Und vom hohen Bergesschlosse
Kam auf stolzem, schwarzem Rosse
Adlig Fräulein Kunigund,
Wollt’ mitfahren über Strudels Grund.
Schwäbische, bayrische Dirndel, juchheirassa,
Muß der Schiffmann fahren.
»Schiffsmann, lieber Schiffsmann mein,
Sollt’s denn so gefährlich sein?
Schiffsmann sag mir’s ehrlich,
Ist’s denn so gefährlich?«
Schwäbische, bayrische Dirndel, juchheirassa,
Muß der Schiffmann fahren.
»Wem der Myrtenkranz geblieben,
Landet froh und sicher drüben,
Wer ihn hat verloren,
Ist dem Tod erkoren.«
Schwäbische, bayrische Dirndel, juchheirassa,
Muß der Schiffmann fahren.
Als sie auf die Mitt’ gekommen,
Kam ein großer Nix geschwommen,
Nahm das Fräulein Kunigund,
Fuhr mit ihr in des Strudels Grund.
Schwäbische, bayrische Dirndel, juchheirassa,
Muß der Schiffmann fahren.
(Deutsches Volkslied, Verfasser unbekannt)