Das flüchtige Schöne einfangen – Folge 14: Jan-Eike Hornauer »Dein Schulterblatt«

Für eine neue Netz-Anthologie hat sich das Online-Forum der Zeitschrift DAS GEDICHT, www.dasgedichtblog.de, auf die Suche nach dem Schönen gemacht. Schließlich ist die Kunst seit Jahrhunderten auch eine Instanz der Ästhetik.
Und wenngleich seit längerem eine gewisse Scheu vor dem Schönen im modernen Kunstbetrieb herrscht und Schönheit heute oft reduziert wird auf den schönen Schein, auf das Streben nach Idylle oder die Anbetung getrimmter Körper – möchte die neue Netzanthologie von Redakteurin Sandra Blume der Schönheit in der Kunst einen besonderen Platz einräumen.
Über 40 Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben mehr als 100 Gedichte zum Thema »Das flüchtige Schöne einfangen« eingereicht. 16 ausgewählte Texte werden jeden Mittwoch zum Lesen und Hören auf DASGEDICHTblog veröffentlicht und laden dazu ein, jener Schönheit, die beim Betrachter Freude, Trost und Glück – wenigstens für kurze Augenblicke – auszulösen vermag, auf die Spur zu kommen.

 

Sandra Blume liest: »Dein Schulterblatt« von Jan-Eike Hornauer

 

Jan-Eike Hornauer

Dein Schulterblatt

Dein Schulterblatt will ich mit meinem Finger sanft beschreiben,
so weiß und zart und schuldlos, wie’s gerade vor mir liegt.
Ich tu’ es nicht. Ich lasse es – schon wieder einmal! – bleiben.
Da manch ein sanfter Zauber bei Berührung gleich versiegt.

Das ist nicht nur im Märchen so, auch im normalen Leben.
Es fliegt berührt zwar faktisch doch der Schmetterling,
gleichwohl steht fest: wird angefasst, kann leicht etwas entschweben.
Und ganz profan wird so noch selbst das allerschönste Ding.

Drum schaue ich Dein Schulterblatt aus meiner nahen Ferne
nur weiter unbegriffen an, so voll und ganz verzückt.
Ich schreibe wieder einmal nichts, tät’ ich’s auch furchtbar gerne.
Und bin, wie stets bei alledem, viel mehr als nur beglückt.

 

© Jan-Eike Hornauer, München

 

 

 

Sandra Blume. Foto: Yvonne Bartsch
Sandra Blume. Foto: Yvonne Bartsch

Sandra Blume (Jahrgang 1976) hat Geschichte, Kulturwissenschaften und Journalistik studiert. Sie arbeitet seit 2005 als freie Texterin, PR-Beraterin und Theaterdramaturgin. Seit 2013 ist sie Pressesprecherin des Wartburgkreises in Thüringen. Sie hat bei zahlreichen Lese-, Radio- und Theaterveranstaltungen mit einer »lyrischen Zärtlichkeit des Lauschens und Staunens« dem Publikum so manches Gedicht neu eröffnet. 2017 hat sie auf DAS GEDICHT blog bereits die Online-Anthologie »Lyrik rettet den Montag« herausgegeben und hörbar gemacht. Gedichte der Autorin sind in diversen Anthologien zu finden, 2018 hat sie im Landstreicher Verlag den Wandkalender „Beginnende Tage“ mit Texten und Fotografien veröffentlicht.

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