Deutsch-tschechischer Poesiedialog, Folge 29: „ZWISCHEN VERTRAUTHEIT UND UNGEWISSHEIT – MEZI INTIMITOU A NEJISTOTOU“

Klára Hůrková stellt an jedem 17. des Monats interessante lyrische Funde aus ihren beiden Heimatländern Tschechien und Deutschland vor. Sie übersetzt ausgewählte Texte in die jeweils andere Sprache in der Absicht, Ähnlichkeiten und Unterschiede sowie aktuelle Themen und Tendenzen in der Gegenwartslyrik beider Länder herauszustellen. Damit verfolgt sie Spuren einer langen und reichen Kulturtradition, welche durch die fatalen Ereignisse des 20. Jahrhunderts unterbrochen wurde.

 

ZWISCHEN VERTRAUTHEIT UND UNGEWISSHEIT – MEZI INTIMITOU A NEJISTOTOU

Eine steht am Eingang der Wohnung und streckt die Hand dem Anderen entgegen, ins Ungewisse. Eine Begegnung, bei der sie viel riskiert und viel verlieren könnte. Und doch kann sie nicht anders – denn der Andere hat sich bereits in ihre Träume eingeschlichen und dort Spuren hinterlassen … In fein komponierten, ungewöhnlichen Bildern beschreibt das Gedicht von Sigune Schnabel eine Liebe, deren Ausgang ungewiss ist.

Stojí u vchodu do bytu, natahuje ruku k někomu, do neznáma. Setkání, při kterém mnoho riskuje a mohla by mnohé ztratit. A přesto nelze jinak, neboť ten Někdo se už vloudil do jejích snů a zanechal v nich stopy… V jemně komponovaných, neobvyklých obrazech popisuje báseň Sigune Schnabel vztah, jehož výsledek je nejistý.

 

Vom Türrahmen

reiche ich dir
eine Handvoll Meer
und dieses Zittern
über meinem Leben.
Du regnest in die Spalten
der Zeit, bis ich dich
nicht mehr greifen kann, hier unten
zwischen Stille und der Wand.

Jetzt weiß ich:
Deine Worte standen schon so lang
auf meinen Träumen,
dass sich ein Abdruck zeigt,
wenn du sie von der Stelle rückst.

© Sigune Schnabel

 

Od rámu dveří

ti podávám
hrst moře
a jisté chvění
nad svým životem.
Padáš jako déšť do škvír
času, už tě nemohu
zachytit, tady dole
mezi tichem a stěnou.

Teď už vím:
Tvá slova stála tak dlouho
na mých snech,
že zanechala otisk,
když jsi je odstranil.

© Sigune Schnabel

 

+ Zur Autorin

 

Klára Hůrková. Foto: DAS GEDICHT
Klára Hůrková. Foto: DAS GEDICHT

Klára Hůrková wurde 1962 in Prag geboren und lebt seit 1991 in Aachen. Sie ist Lyrikerin, Prosaautorin, Übersetzerin und Pädagogin, schreibt auf Deutsch und auf Tschechisch. Sie veröffentlichte zehn Gedichtsammlungen, eine literaturwissenschaftliche Monographie und eine Novelle, außerdem Kurzprosa, Essays, Rezensionen und Übersetzungen. Publikumspreis beim Wiener Werkstattpreis 2003, Sparte Lyrik. Klára Hůrková ist Herausgeberin von zwei deutsch-tschechischen Lyrikanthologien, Schlüsselsammlung – Sbírka klíčů (Prag, Družstevní práce 2007), und Über den Dächern das Licht – Nad střechami světlo (Prag, Dauphin 2014). Seit März 2017 schreibt sie ihren eigenen deutsch-tschechischen Poesie-Blog: http://poemataclara.myblog.de.

Klára Hůrková narozena roku 1962 v Praze, od roku 1991 žije v Cáchách. Básnířka, prozaička, překladatelka a pedagožka, píše česky a německy. Publikovala deset básnických sbírek, jednu novelu a jednu literárněvědní monografii, kromě toho krátké prózy, články, recenze a překlady. Cena čtenářů v soutěži Wiener Werkstattpreis 2003, obor poezie. Klára Hůrková je vydavatelkou dvou česko-německých antologií současné poezie, Schlüsselsammlung – Sbírka klíčů (Praha, Družstevní práce 2007), a Über den Dächern das Licht – Nad střechami světlo (Praha, Dauphin 2014). Od března 2017 píše vlastní blog česko-německé poezie: http://poemataclara.myblog.de.

Alle bereits geposteten Poesiedialog-Folgen finden Sie hier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert