Christophe Fricker schreibt jeweils am 1. des Monats einem Dichterfreund, dessen Buch er gerade gelesen hat. Die Texte sind eine Mischung aus Offenem Brief zu Lyrik und Gesellschaft, bewusst parteiischer Rezension und vertrautem Austausch. Und damit hoffentlich auch weniger langweilig als Rezensionen, die ihre eigene Voreingenommenheit vertuschen.
Liebe Leserinnen und Leser,
manchmal hat man einfach einen schlechten Tag – als Autor, als Leserin oder eben auch als Rezensent. Man quält sich durch ein Buch, das aus irgendeinem Grund vor einem liegt, der Kaffee ist so kalt wie der ausgebliebene Frühling, nebenan stapelt sich die Wäsche und der ungelöste Ukraine-Konflikt, Pluto ist kein Planet mehr, Panama nicht mehr schön, die Briten wollen weg, der HSV ist immer noch da. Und überhaupt.
Ach so, das Buch. Eigentlich kann es ja nichts dafür. Aber es hilft auch nicht. Und das kann man doch erwarten – wenigstens ein bisschen. Ein bisschen schöner muss ein Gedichtband die Welt doch machen! Das kann ich natürlich hier nicht weiter ausführen, deshalb wende ich mich heute direkt an Sie, mit einem
Klagelied des Rezensenten
Noch acht Gedichte muss ich heute lesen.
Ich wünschte mir, es wären nur noch sieben.
Denn achtundachtzig sind es schon gewesen,
Und keins ist in Erinnerung geblieben.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen jetzt erst einmal einen guten Monatsanfang. Hoffen wir auf gute Gedichte, Fußball ohne FIFA, ein bisschen mehr Telefon und weniger E-Mail, und lassen Sie uns unsere Freunde nicht unterschätzen.
Beste Grüße
Christophe Fricker
Christophe Fricker, geb. 1978, schreibt über die Möglichkeiten von Freundschaft, die Grenzen des Wissens und die Unwägbarkeiten der Mobilität. Mit Tom Nolan und Timothy J. Senior veröffentlichte er den zweisprachigen, illustrierten Gedichtband »Meet Your Party«. 2015 gab er die »Gespräche über Schmerz, Tod und Verzweiflung« zwischen Ernst Jünger und André Müller heraus, die das Deutschlandradio eine »Sensation« nannte. Frickers Buch »Stefan George: Gedichte für Dich«, eine Einführung in das Werk Georges, stand auf Platz 2 auf der NDR/SZ-Sachbuchbestenliste. Für den Gedichtband »Das schöne Auge des Betrachters« wurde er mit dem Hermann Hesse Förderpreis ausgezeichnet.Alle bereits erschienenen Folgen von »Dichterbriefe« finden Sie hier.
[…] also nicht eigens betonen, hoffe ich, dass die achtundachtzig Gedichte, über die ich letzten Monat hier klagte, nichts mit Deinem Werk zu tun haben, auch wenn 88 und 22 und 44 und 111 Gedichte in Deinen […]