Ein Gedicht rettet den Tag! – Lyrik-Workshop mit Anton G. Leitner bei der Katholischen Erwachsenenbildung in Göppingen

Ein Bericht in Text und Bild von Frank Suppanz (Bildungsreferent des Veranstalters, der keb Göppingen)

Im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums der Katholischen Erwachsenenbildung in Göppingen leitete Lyriker und Verleger Anton G. Leitner am Freitag, dem 4. April 2025, einen Workshop unter dem Titel »Ein Gedicht rettet den Tag. Warum Lyrik Sinn stiftet und Menschlichkeit ausdrückt«.

Was haben Gedichte mit Werten zu tun? Anton G. Leitner vermittelte den zwölf Teilnehmenden zunächst durch den Vortrag und die Erläuterung eigener Gedichte, wie lyrische Texte den Umgang mit existentiellen Situationen begleiten können (z. B. Trennung von der Partnerin oder Tod des Vaters). Hier müssen angemessene Formen gefunden werden, z. B. durch Ready-made-artige Integration einer Forderungsliste der Ex-Freundin (»Zu bekommen habe ich …«) oder die Gestaltung einer lyrisch-prosaischen Langform, die es erlaubt, Geschichten zu entwickeln, die für das Verhältnis zum Vater prägend waren. Andere Beispiele waren durchaus komisch (Familienfahrt mit dem Käfer nach Italien aus der Kindheitserinnerungsperspektive oder Kommunikation zwischen Erwachsenen und Kleinkind durch Modulationen von »Halloooo!«): Das Leben lässt sich eben nicht nur im Ernst bewältigen, sondern auch durch Humor!

Damit Lyrik trägt, und zwar formal wie inhaltlich, muss sie präzise sein. Es gilt, die Beobachtungsgabe zu schärfen, Eindrücke wahr- und aufzunehmen und zu formulieren. Deshalb schickte der Referent die Teilnehmenden (es war ein sonnig-warmer Frühlingstag) in den nahgelegenen Oberhofen-Park. Von dort kamen sie mit ihren »Fundstücken« zurück: Es wurden Sätze gesammelt und auf ihre lyrische Qualität abgeklopft, hinter der immer zugleich auch die Frage stand, wie adäquat sie die Wirklichkeit beschreiben. So wurde aus dem »Vogel« in einem Notat die »Kohlmeise« (im finalen Text dann durch »Täubchen« verdrängt), aus der »Blume« wurde der »Lerchensporn«. Die einzelnen Zeilen wurden auf Kärtchen geschrieben, auf den Boden gelegt und arrangiert, bei dieser Gelegenheit noch angepasst. Es entstand das Gedicht »Erwachen im alten Friedhof«.


Ein ebenso amüsanter und anregender wie lehrreicher fünfstündiger Workshop ging so zu Ende, mit einem leibhaftigen Poeten und Verleger als Führer durch die unendlichen Möglichkeiten der Sprache. Zu lernen war: Beobachtungsgabe zu schärfen für konkrete und zugleich wesentliche Dinge und präzises Formulieren einzuüben. Wahrnehmung und Sprache verdichteten sich dann zu einem Text, der einen konkreten Moment Leben einfängt und ein lyrischer Schatz sein kann, der den Tag rettet, wie etwa auch hier im Gemeinschaftsgedicht:


Erwachen im alten Friedhof

Honigmond im Sonnenschein.
Zwei Täubchen turteln im Geäst
Plastik verheddert in der Krone.
Frisches Grün auf grauem Grab
Der alte Stein wird zur Skulptur.
Lerchensporn in zartem Lilaton
Lädt Hummeln zum Verweilen ein.
Der Löwenzahn verhöhnt den Rindenmulch.
Pinke Primeln zwischen Granit.
Sogar das Kirchendach knospt.
Nur die Kanonenkugel in der Mauer
Bleibt stecken.


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