»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer
Fitzgerald Kusz
eichen
hölderlins eichbäume heute
ihr könnd nix däfiä dassäs dou bei uns
seid meä wäi achzg joä aushaldn mäißd
ihr seid aa nix bessers wäi di andern baim
ihr gräichd im fräihjoä neie bläddä
und lassd achälä und bläddä falln im herbsd
fiä däi wou eich eibflanzd hamm
woäd ihr ämall di »arier« undä di baim
di andern woän innern ned daidsch gnouch
obbä ihr habd dou draff goä nix gehm
ihr habd gmachd wos gmachn werrn mou
ihr habd däif im buudn wurzln gschloong
und seid middä zeid in di häih houchgschossn
däi wou eich domols eibflanzd hamm
senn alle midäränandä scho undä dä erdn
obbä ihr schdäihd immä nu kerzägrood dou
bleibd bidde sulang dass gäihd dou schdäih
und machd des wossä immä gmachd habd:
di viegl freiä si (und iich miich fei aa)
© Fitzgerald Kusz, Nürnberg
+ Das Original
Friedrich Hölderlin
Die Eichbäume
Aus den Gärten komm’ ich zu euch, ihr Söhne des Berges!
Aus den Gärten, da lebt die Natur geduldig und häuslich,
Pflegend und wieder gepflegt mit dem fleißigen Menschen zusammen.
Aber ihr, Ihr Herrlichen! steht, wie ein Volk von Titanen
In der zahmeren Welt und gehört nur euch und dem Himmel,
Der euch nährt’ und erzog und der Erde, die euch geboren.
Keiner von euch ist noch in die Schule der Menschen gegangen,
Und ihr drängt euch fröhlich und frei, aus der kräftigen Wurzel,
Unter einander herauf und ergreift, wie der Adler die Beute,
Mit gewaltigem Arme den Raum, und gegen die Wolken
Ist euch heiter und groß die sonnige Krone gerichtet.
Eine Welt ist jeder von euch, wie die Sterne des Himmels
Lebt ihr, jeder ein Gott, in freiem Bunde zusammen.
Könnt’ ich die Knechtschaft nur erdulden, ich neidete nimmer
Diesen Wald und schmiegte mich gern ans gesellige Leben.
Fesselte nur nicht mehr ans gesellige Leben das Herz mich,
Das von Liebe nicht läßt, wie gern würd’ ich unter euch wohnen!
+ Zum Autor
Fitzgerald Kusz wurde 1944 in Nürnberg geboren, wo er auch heute lebt. Nach dem Studium der Anglistik und Germanistik war er zunächst zehn Jahre lang Lehrer im Hauptberuf, schrieb aber schon durchgehend; seit 1982 ist Kusz freischaffender Schriftsteller. Zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz am Bande (1992) sowie zuletzt der August-Graf-von-Platen-Literaturpreis (2011), die Karl-Bröger-Medaille (2016) sowie der Bayerische Dialektpreis und der Bayerische Poetentaler (beide 2017). Sein bekanntestes Werk ist »Schweig, Bub!«: Das 1976 am Staatstheater Nürnberg uraufgeführte fränkische Stück wurde bislang mehr als 700 Mal gespielt, ist in zahlreiche andere deutsche Dialekte übertragen sowie in mehreren Hörspielfassungen aufgenommen. Daneben 22 weitere Theaterstücke, u. a. »Der fränkische Jedermann« (2001), sowie 13 Gedichtbände. Der Mundartdichter hat, schon lange bevor dies en vogue war, auch seine Lyrik im Heimatdialekt abgefasst – und damit bundesweit Anerkennung gefunden. Zuletzt von Kusz erschienen sind die Haiku-Bände »Guuder Moond« und »Schdernla« (beide ars vivendi 2015). www.Kusz.de
»Gedichte mit Tradition« im Archiv
Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden zweiten Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.