»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer
Hans-Werner Kube
zwischen Himmel und Erde
ich tanze
nicht versuche
nur einen Fuß
vor den andern
und nicht stürzen
an der Stange
lasten Leben
stark wie der Tod
nur das Seil
und säh es so aus
und löste es aus
Kitzel gar Applaus
ich tanze
nicht
© Hans-Werner Kube, Witten
+ Zum Original
Joachim Ringelnatz
Zirkuskind
Bist du müde, Seiltänzerin?
Wie’s jeder mal ist, wie ich’s manchmal bin?
Oder bist du von Kummer bedrückt? –
Wir müssen alle was wagen im Schwanken
Und müssen dann danken
Und froh sein, wenn’s glückt.
Das ist der schwierige Gang durch die Welt.
Wir wurden und werden alle einmal
Auf ein Seil gestellt,
Zwischen Himmel und Erde mit Wahl und mit Qual.
Ein seichtes Wort, zwar tief gemeint.
Doch alles ist tiefer, als es scheint.
Ein Zirkusmädchen in offener Schau
Oder in Pelze gehüllt, fremde Frau:
Wer kann ihre Seele lesen?
Sag nie zu einer Giraffe im Zoo:
»Hier hast du keine Feinde! Sei froh!«
Hab Ehrfurcht vor fremden Wesen!!!
+ Zum Autor
Hans-Werner Kube, 1953 in Leverkusen geboren, war nacheinander Finanzbeamter, Zivi, Gemeindepastor sowie seit 2001 bis zu seinem (Teil-)Ruhestand ab 2018 Verwaltungsangestellter und Redakteur in Witten. Letzteres ist er im kleinen Umfang weiterhin, außerdem gehört Kube zum Autorenkreis Ruhr-Mark und leitet den Wittener Autorinnen- und Autorentreff. Er schreibt überwiegend Lyrik, hat einige Preise gewonnen, u. a. den Hochstadter Stier 2015 (Publikumspreis), und veröffentlicht in Anthologien (zuletzt u. a. in »Wenn Liebe schwant«, hg. v. Jan-Eike Hornauer, muc Verlag 2017, und in »Der Himmel von morgen«, hg. v. Anton G. Leitner, Reclam 2018), Zeitungen und Literaturzeitschriften (u. a. in DAS GEDICHT).
»Gedichte mit Tradition« im Archiv
Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden zweiten Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.