»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«: eine fortlaufende Online-Anthologie, zusammengestellt von Jan-Eike Hornauer
Alfons Schweiggert
Kindergebeterl
´s Erste
Liaba Gott, i hau mi nieder.
Schwara bin i aa scho wieder,
i wieg fast 18 Kilo, tja!
Hoit d´Mama gsund, an Papa aa.
Dei Hosnscheißa wünscht si des,
i sogs grod raus, sei ma net bäs.
´s Zwoate
Liaba Gott, lass di schee grüaßn,
i hob bloß no schnäi biesln müaßn,
weil ´s Traama i na doppet schee.
I traam von dir, vom Paradies,
i glaab, daß dort no scheena is
ois wia am Königssee.
Sei net vaschnupft, daß i so red,
doch hochdeitsch schmatzn mog i net.
´s Dritte
Liaba Gott, woaßt, wos i wui?
I wünsch ma a Computergschpui,
tua i ois Hundsbua aa net hörn,
woaßt, meine Oidn saufa gern.
I bin saumiad jetz, des is gwiß.
Kumm, schau auf mi und die zwoa Oidn.
Mach, daß a wengal her no hoitn.
Da Oma schenk a neis Gebiß!
© Alfons Schweiggert, München
+ Das Original
Joachim Ringelnatz
Kindergebetchen
Erstes
Lieber Gott, ich liege
Im Bett. Ich weiß, ich wiege
Seit gestern fünfunddreißig Pfund.
Halte Pa und Ma gesund.
Ich bin ein armes Zwiebelchen,
Nimm mir das nicht übelchen.
Zweites
Lieber Gott, recht gute Nacht.
Ich hab noch schnell Pipi gemacht,
Damit ich von dir träume.
Ich stelle mir den Himmel vor
Wie hinterm Brandenburger Tor
Die Lindenbäume.
Nimm meine Worte freundlich hin,
Weil ich schon sehr erwachsen bin.
Drittes
Lieber Gott mit Christussohn,
Ach schenk mir doch ein Grammophon.
Ich bin ein ungezognes Kind,
Weil meine Eltern Säufer sind.
Verzeih mir, daß ich gähne.
Beschütze mich in aller Not,
Mach meine Eltern noch nicht tot
Und schenk der Oma Zähne.
+ Zum Autor
Alfons Schweiggert, geboren 1947 in Altomünster, lebt in München. Er ist als Autor breit aufgestellt, so veröffentlichte er Erzählungen, Lyrik, einen Roman, Biographien, satirische Bücher, Theaterstücke, Sachbücher sowie Kinder- und Jugendbücher. Auf das Studium der Psychologie, Philosophie und Pädagogik folgte von 1973 bis 1979 ein Lehrauftrag an der Universität München, in dieser Zeit auch fünf Jahre Mitarbeit bei der Satirezeitschrift »Pardon«. Lehrtätigkeit an versch. Schulen, von 1993 bis 2009 Institutsrektor am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung, München. Seither freischaffender Schriftsteller. Auszeichnungen u. a.: 1976 und 1984 Deutscher Jugendliteraturpreis (Bestenliste), 1995 Bayerischer Poetentaler, 1997 Werkschau in der Internationalen Jugendbibliothek München. Seit 2000 Präsidiums-Mitglied der Schriftstellervereinigung »Turmschreiber« und seit 2007 im Vorstand der von ihm begründeten Karl Valentin-Gesellschaft. www.Afons-Schweiggert.de
»Gedichte mit Tradition« im Archiv
Zu dieser Reihe: »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.
Ein Kindergebet, welches ein Erwachsener geschrieben hat – in der Meinung, so würde ein Kind beten.
Vielleicht verstehe ich es auch falsch und es soll nach Meinung eines Erwachsenen lustig sein.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Gedicht einem Kind gefällt. (Mir übrigens auch nicht)
Mit freundlichen Grüßen
Ursula
Das Gedicht ist kein Gebet für Kinder, sondern eine bairische Variation zu dem gleichnamigen Gedicht von Joachim Ringelnatz, das auf der selben Seite unter “Original” geöffnet werden kann.