Friedrich Ani (*1959)
- Schriftsteller aus München
- Friedrich Ani wurde 1959 in Kochel geboren. Er lebt heute in München. Von ihm erschienen zahlreiche Romane, u. a. »German Angst« (Droemer Knaur) sowie »Hinter blinden Fenstern« (Zsolnay). 2009 publizierte er seinen Gedichtband »Mitschnitt« (Zsolnay). Anis Bücher wurden vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem »Deutschen Krimipreis« für vier Tabor-Süden- Romane und dem »Tukan-Preis« der Stadt München. Er veröffentlichte auch mehrere Jugendbücher, u. a. »Wie Licht schmeckt« (dtv/Hanser) und »Meine total wahren und überhaupt nicht peinlichen Memoiren mit genau elfeinhalb« (Hanser). Mehrere Romane von Friedrich Ani wurden durch das ZDF verfilmt. Als Drehbuchautor schreibt er für TV-Reihen wie »Tatort«, »Ein Fall für zwei« und »Rosa Roth«. Friedrich Ani ist der Zeitschrift DAS GEDICHT seit ihrer Gründung verbunden. Zusammen mit Anton G. Leitner edierte er Band 17 von DAS GEDICHT (»Fürchte dich nicht – spiele!«), Weßling 2009.
In loser Folge stellt Franziska Röchter für dasgedichtblog die Teilnehmer des »Internationalen Gipfeltreffens der Poesie« am 23.10.2012 in München vor. Sie sprach mit Gipfelteilnehmer Friedrich Ani über sein Leben mit Versen.
Friedrich Ani gilt als einer der bekanntesten Kriminalschriftsteller in Deutschland. Anfang Mai erhielt er gemeinsam mit Co-Autorin Ina Jung den Bayrischen Fernsehpreis 2012 für das beste Drehbuch (für »Das unsichtbare Mädchen«, ZDF / arte).
Ani ist jedoch nicht allein auf dieses literarische Genre festzulegen. Neben Jugendbüchern wie »Meine total wahren und überhaupt nicht peinlichen Memoiren mit genau elfeinhalb« (Hanser, 2008) schreibt und veröffentlicht er seit Jahrzehnten auch Gedichte. Poetologisch beeinflusst haben ihn dabei unter anderem Rainer Maria Rilke und Bob Dylan.
dasgedichtblog: Herr Ani, Sie sind ja als ›Halb-Syrer‹ auf die Welt gekommen. Welche Beziehung haben Sie zu Syrien? Haben Sie überhaupt eine?
Friedrich Ani: Mein Vater und ich sprachen sehr selten über seine Heimat, und wenn, dann zurückhaltend und verbunden mit Erinnerungen aus der Kindheit.
dasgedichtblog: Sie sagen, dass sich im Genre Krimi »immer wieder neue Türen öffnen lassen« (Interview Buchjournal 1/2011). Nach eigener Aussage gilt Ihr Hauptaugenmerk der Beschäftigung mit Verschwundenen und Vermissten und der Suche nach ihnen. Wie kommt es zu diesem großen Interesse?
Friedrich Ani: Die Vorstellung vom Verschwinden und Unsichtbarwerden prägte meine Jugend. Ich wollte immer woanders sein. Da ich aber aus dem Schatten der Berge, wo ich aufwuchs, nicht wegkam, tauchte ich in Büchern und in der Musik unter. Und für den Krimi eignen sich die Schicksale Verschwundener bestens, sie bergen ein Geheimnis, sie sind spannend.
dasgedichtblog: Neulich sagte mir eine Dame des Tourist-Büros München, als Frau könne man in München hotelmäßig überall absteigen und auch nachts zu Fuß gehen, da würde schon nichts passieren. Aufgrund Ihrer umfangreichen Recherchen wissen Sie da aber sicher anderes zu berichten?
Friedrich Ani: München ist sicher, sagen Polizei und Stadtverwaltung. Wer’s glaubt, wird selig. Und was gibt’s Schöneres als irdische Seligkeit?
dasgedichtblog: Sie sagen, Sie könnten sich gut vorstellen, nur in einem Hotel zu wohnen, weil man dann aus dem Koffer lebe und sich um nichts kümmern müsse. Wie stellt man sich den Alltag des bekanntesten deutschen Krimiautors überhaupt vor: Hat ein Friedrich Ani überhaupt noch Zeit, sich um solche Dinge wie Glühbirnen auswechseln, Rasen mähen, Brötchen kaufen oder Wäsche aufhängen zu kümmern?
Friedrich Ani: Ich kümmere mich um alles: Wäsche, Wäscheklammern, Brötchen, Brezen, nur um den Rasen kümmere ich mich nicht, der gehört mir nicht, sondern meiner Nachbarin. Ich führe ein völlig unauffälliges Leben, das mir niemand abnimmt.
dasgedichtblog: Sie haben ein Herz für Außenseiter und Menschen am Rande der Gesellschaft. Fühlen Sie sich auch ein wenig entfremdet in unserer Gesellschaft, und wenn ja, warum?
Friedrich Ani: Ich bin Teil der Gesellschaft und gleichzeitig ein Fremder in ihr. Das war nie anders.
dasgedichtblog: Den meisten Menschen sind Sie als Krimiautor bekannt. Sie sagen, Ihre wahre Existenz als Schriftsteller begann mit Tabor Süden. Dafür haben Sie aber nicht gerade wenige Lyrikbände, genau genommen fünf, geschrieben. Welchen Stellenwert haben diese für Sie selbst?
Friedrich Ani: Seit meinem zehnten Lebensjahr schreibe ich Gedichte. Sie sind Teil meiner schriftstellerischen Arbeit.
dasgedichtblog: Ihr allererster offizieller Lyrikband heißt »wer die dunkelheit entfacht – gedichte«. Er ist 1981 in einem Verlag namens A&T (Friedrich Ani & Heinz Treiber) erschienen. Da waren Sie gerade mal 22. Wie lange lief das mit dem Verlag?
Friedrich Ani: Mein Freund Treiber und ich gründeten einen Verlag, weil wir unsere Gedichte gedruckt sehen wollten, und wir hielten etwa drei Jahre durch.
dasgedichtblog: Frühe Verse von Ihnen lauten: »Einmal ausgeschlafen / sein am / lichtermorgen mit / feuchten lippen die eigne friedlichkeit / küssen kaum / bewußt sich dem / lebenslärm ergeben« (aus: »wer die dunkelheit entfacht«, A&T, 1981). Stehen Sie heute noch zu allen Ihren Gedichten, die 30 Jahre und älter sind?
Friedrich Ani: Diese Gedichte habe ich damals geschrieben und ich besitze sie nicht mehr. Natürlich stehe ich zu ihnen wie zu meinem Leben damals.
dasgedichtblog: In einem anderen Gedicht aus diesem ersten Band heißt es: »unterwegs zu den ungehörten opfern / unter den messern meiner freiheit // weil ich frei bin bin ich ausgeliefert / und geborgen in flammenden minuten« (aus: »wer die dunkelheit entfacht«, A&T, 1981). Ist die menschliche Freiheit für Sie ein Fluch?
Friedrich Ani: Die menschliche Freiheit ist das Ziel allen gesellschaftlichen Ringens. In Zeiten des Fundamentalismus, in denen wir gerade leben – Islamismus, Katholizismus –, gilt es, wachsam zu bleiben und das Gehirn zu behalten, das die Fundamentalisten gleich schalten wollen.
dasgedichtblog: In Ihrem 2009 erschienen Gedichtband »Mitschnitt« (Zsolnay, 2009) heißt es: »Wer nur Asphalt kennt, / Lieber, ruht auf einem / Kelim wie auf Wolken.« Sind Sie im Grunde Ihres Herzens ein Vagabund, ein Nomade?
Friedrich Ani: Das weiß ich nicht. Ein Reihenhausbesitzer bin ich jedenfalls nicht.
dasgedichtblog: Ihr Gedicht »Herbergssuche« aus dem Band »Mitschnitt« beschreibt sehr schön den Seelenzustand des ewig Suchenden, der sich in einer permanenten Ambivalenz zwischen Sesshaftigkeit und Aufbruch befindet, und dass das Glück nicht irgendwo aufbewahrt und festgehalten werden kann. Was wäre für Sie das vollkommene Glück auf dieser Welt? Was verbinden Sie mit dem Begriff Heimat?
Friedrich Ani: Das Glück hat viele Gesichter, genau wie die Heimat. Ich spüre es jedes Mal und weiß: Jetzt bin ich umfangen von Glück oder vom Dasein.
dasgedichtblog: In Ihrem Band »Mitschnitt« drehen sich viele Gedichte ums Suchen und Finden, ums Gehen und Bleiben, um Aufbruch, Ankunft und Abschiednehmen, um das Schweigen, die Stille, die Dunkelheit, um Schatten. Das Lyrische Ich ist offenkundig nicht manisch, sondern von einer gewissen Schwermut umgeben. Wie kann der Mensch auf Erden Ihrer Meinung nach seine Schwerkraft überwinden?
Friedrich Ani: Wieso sollte der Mensch die Schwerkraft überwinden, sie gehört zu seiner Existenz wie der Sauerstoff, die Furcht und das Verlangen? Die Schwerkraft verbindet mich mit der Erde, meinem Heimatplaneten.
dasgedichtblog: In der Sendung Druckfrisch der ARD zeigen Sie Ihre musikalische Seite. Haben Sie die Lyrics zu diesem Song selbst geschrieben?
Friedrich Ani: Musik und Text stammen von Schorsch Hampel, dem Bluessänger.
dasgedichtblog: Was wären Sie, wenn Sie nicht Schriftsteller wären?
Friedrich Ani: Ein Steuer zahlender Bürger, wie jetzt auch.
dasgedichtblog: Kommt man bei so viel Schreiben überhaupt noch selbst zum Lesen, und wenn ja, was liest ein Krimiautor zur Abwechslung?
Friedrich Ani: Ich lese nicht zur Abwechslung, ich lese, um vorübergehend ein anderes Leben zu führen und etwas zu lernen über die Menschen und deren Umarmungsbedürfnisse.
dasgedichtblog: Herr Ani, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.
https://youtube.com/watch?v=PRy9DqrVhV8
Friedrich Ani
Mitschnitt. Gedichte
Zsolnay, 2009
128 Seiten
ISBN: 978-3-552-05451-6
€ 14,90 (D), € 15,40 (A)
Leseprobe aus »Mitschnitt« (PDF)