Humor in der Lyrik – Folge 17: Eugen Roth (1895–1976): Ein Mensch

Die Behauptung ›Lyriker haben keinen Humor‹ gehört zu den unausrottbaren Missverständnissen. Doch gerade in dieser literarischen Gattung blüht Humor in allen Facetten. Alfons Schweiggert stellt an jedem 25. des Monats lyrischen Humor und humorvolle Lyriker in seiner Rubrik »Humor in der Lyrik« vor. Als Kolumnist von DAS GEDICHT blog will er damit Anregungen geben, Humor in der Lyrik zu entdecken und humorvolle Vertreter dieser Gattung (wieder) zu lesen.

Schon als Kind wollte der gebürtige Münchner Eugen Roth Journalist werden wie sein Vater Hermann Roth, der als Lokalberichterstatter der »Münchner Neuesten Nachrichten« weithin bekannt war. Als Volksschüler durfte Eugen in der Rolle des Münchner Kindl vor einem oft tau¬sendköpfigen Publikum mehrfach Verse seines Vaters vortragen, was er ohne Scheu tat. Und so wurde ihm als Gymnasiast in Ettal auch gestattet, mit einem selbstverfassten Gedicht den durchreisenden Prinzregenten Luitpold zu begrüßen. Kein Wunder, dass er bei einem von der Schule veranstalteten Gedichte-Wettbewerb den Sieg davontrug.

Nach dem Abitur meldete er sich zu Beginn des ersten Weltkriegs als Freiwilliger an die Front, wurde aber im Oktober 1914 in Frankreich schwer verwundet, womit der Krieg für ihn zu Ende war. Später bezeichnete er diese Verwundung als seinen »zweiten Geburtstag«. Nach längerem Aufenthalt im Lazarett ging er zurück nach München. In dieser Zeit schrieb er expressionistische Natur- und Liebeslyrik. 1918 erschien als sein erster Gedichtband »Die Dinge, die unendlich uns umkreisen« in der Reihe »Der jüngste Tag« im Kurt Wolff Verlag. Darauf folgten die Bände »Erde, der Versöhnung Stern« (1921), »Der Ruf« (1923) und »Monde und Tage« (1929). 1922 schloss er das Studium der Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte mit der Promotion zum Dr. phil. ab. In diese Zeit fiel auch seine Freundschaft mit Ernst Toller (1893-1939) und Klabund (1890-1928).

Eugen Roth. Zeichnung: Alfons Schweiggert
Eugen Roth. Zeichnung: Alfons Schweiggert
Nun begann seine journalistische Tätigkeit im Lokalteil der »Münchner Neuesten Nachrichten«, doch 1933 wurde er fristlos entlassen. Nur der »Simplicissimus« druckte noch die Verse des Verfemten.

In dieser Zeit verfasste er seine ersten »Ein-Mensch-Gedichte«, in denen er in heiter-nachdenklichen Versen den Menschen und seine Schwächen unter die Lupe nahm und mit denen er schon bald berühmt werden sollte. Doch eine Buchveröffentlichung lehnten zunächst zehn Verlage ab. Erst der Verleger Alexander Dunker im fernen Weimar entschloss sich 1935 zur Herausgabe des ersten Bändchens, das unter dem Titel »Ein Mensch« erschien und von dem auf Anhieb ein halbe Million Exemplare abgesetzt werden konnten. Darin fanden sich geistreiche Verse wie: »Ein Mensch erhofft sich leis’ und still, / dass er einst das kriegt, was er will, / bis er dann doch dem Wahn erliegt / und schließlich das will, was er kriegt!«

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs setzte sich Eugen Roth im Gedichtband »Mensch und Unmensch« kritisch mit der eigenen Rolle im Nationalsozialismus auseinander, so etwa in seinem Gedicht »Einsicht«, in dem er die Ausflüchte der Menschen nach 45 thematisiert, um abschließend festzustellen: »Kein Mensch will es gewesen sein / Die Wahrheit ist in diesem Falle: / mehr oder minder warn wir´s alle!«

Im Laufe der Jahre folgten an die 40 Buchveröffentlichungen, viele davon mit humorvollen Gedichten, die Eugen Roth mit einer Millionen-Auflage zu einem Bestsellerautor des lyrischen Humors machten. Auch das Bändchen »Der Wunderdoktor« liebten die Leser. Jeder Vierzeiler darin brachte die Pointe auf den Punkt: »Was bringt den Doktor um sein Brot? / a) die Gesundheit, b) der Tod. / Drum hält der Arzt, auf daß er lebe, / Uns zwischen beiden in der Schwebe.« Weitere Titel wie »Die Frau in der Weltgeschichte« oder »Heitere Kneipp-Fibel« machten ihn berühmt und seine treue Fangemeinde wartete voll Spannung auf jedes neue Werk. Als eingefleischter Münchner – »Vom Ernst des Lebens halb verschont, / ist der schon, der in München wohnt« –, wurde er von der Schriftstellervereinigung »Münchner Turmschreiber« mit dem »Bayerischen Poetentaler« ausgezeichnet und 1963 auch in deren Kreis aufgenommen.

Zeitlebens wurmte es Eugen Roth, dass seine Werke mit melancholischen Gedichten, mit ernsten Erzählungen und historischen Abhandlun¬gen neben seinen humorvollen Büchern verblassten. Immerhin hatte Kla¬bund beim Erscheinen seines ersten Lyrikbandes die Hoffnung geäußert, dass ein »kommender Stern« am Literaturhimmel aufgegangen sei. Klabund sollte Recht behalten, auch wenn Roth nicht mit dem ernsten Werk, sondern vorrangig mit seinen »Mensch«-Gedichten zu einem der meistgelesenen deutschsprachigen Autoren wurde. Doch Eugen Roth war mehr als nur Schriftsteller, er war auch Historiker, Zoologe (»Eugen Roths Tierleben« in zwei Bänden), dazu angesehener Kunstkenner und Sammler. Und wie viele Humoristen war auch er im Grunde ein ernster, melancholischer Mensch, was sich besonders in den letzten Lebensjahren zeigte und ihn zu Versen wie diesem inspirierte: »Ein Mensch erlebt den krassen Fall, / Es menschelt deutlich, überall – / Und trotzdem merkt man, weit und breit / Oft nicht die Spur von Menschlichkeit.«

Am 28. April 1976 starb Eugen Roth im Alter von 81 Jahren in München und wurde in der Nähe seines Wohnhauses auf dem Nymphenburger Friedhof beigesetzt. »Eugen Roth«, so äußerte Kurt Wilhelm, damaliger Präsident der »Münchner Turmschreiber«, »war ein Landchronist, ein Zeitbeobachter, auf dessen Urteil stets Verlass war, weil er im Grunde mehr war als nur ein Beobachter – nämlich ein Dichter, ein Poet.«

 

Alfons Schweiggert. Foto: Gerd Pfeiffer, München
Alfons Schweiggert. Foto: Gerd Pfeiffer, München
»Humor in der Lyrik« wird Ihnen von Alfons Schweiggert präsentiert. Der Münchner Schriftsteller veröffentlichte neben Erzählungen und seinem Roman »Das Buch« mehrere Lyrikbände, Biographien und Sachbücher sowie Kinder- und Jugendbücher. Nach mehrjähriger Lehrtätigkeit als Institutsrektor am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung in München ist er seit 2010 freischaffender Autor. Schweiggert ist Präsidiumsmitglied der Schriftstellervereinigung Turmschreiber und Vorstand der »Karl Valentin-Gesellschaft«.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Humor in der Lyrik« finden Sie hier.
 

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