Humor in der Lyrik – Folge 64: Kaiserin Elisabeth von Österreich (1837-1898) – Heinrich Heines glühendste Verehrerin

Die Behauptung ›Lyriker haben keinen Humor‹ gehört zu den unausrottbaren Missverständnissen. Doch gerade in dieser literarischen Gattung blüht Humor in allen Facetten. Alfons Schweiggert stellt an jedem 25. des Monats lyrischen Humor und humorvolle Lyriker in seiner Rubrik »Humor in der Lyrik« vor. Als Kolumnist von DAS GEDICHT blog will er damit Anregungen geben, Humor in der Lyrik zu entdecken und humorvolle Vertreter dieser Gattung (wieder) zu lesen.

Nein, ihr dichterisches Oeuvre gehört nicht zum Kanon der Weltlyrik, ist auf wunderliche Weise damit aber doch aufs Engste verbunden. Sisi – richtig mit nur einem “s“ in der Mitte – ist zweifellos die weltberühmteste Kaiserin, die im Leben von Einsamkeit und Sorgen gebeutelt und von ihrer Schönheit und dem Erhalt ihres Fliegengewichts besessen war, die in ihrem eigenen Fitnessstudio, einem der ersten im 19. Jahrhundert, täglich trainierte, achtstündige Gewaltmärsche im Laufschritt absolvierte und von den besten Parforcereitern Englands und Irlands als kühnste Reiterin Europas bewundert wurde. Sie liebte Ungarn und Griechenland, sprach bairisch, englisch, ungarisch und büffelte Alt- und Neugriechisch und mutierte mit den Jahren zu einer Reiseweltmeisterin.

Keinen geringeren als den toten Dichter Heinrich Heine (1797-1856) betete sie als ihren Meister an und ließ sich beim Dichten in Ekstase von ihm sogar die Hand führen. Daran glaubte sie und der Glaube macht bekanntlich Wunder wahr. Wie sie selbst war der Jude, Protestant und boshafte Deutschland- und Gesellschaftskritiker Heine ein Außenseiter. Wie er war auch sie Kirchenkritikerin, Antimonarchistin und Republikanerin, Pazifistin und Freidenkerin, die überzeugt war, dass die Wahnsinnigen die eigentlich Vernünftigen sind. Auf die Hofschranzen und ihre Schwiegermama, denen sie am liebsten aus dem Weg ging, war sie nicht gut zu sprechen.

Zu toll wird endlich mir der Spass;
Und nichts mehr soll mich hindern;
Ich drehe eine lange Nas´
Und zeig ihnen den H…..n.

Nicht während ihres gesamten Lebens dichtete Elisabeth, sondern abgesehen von einigen Versen in der Kindheit nur in den Jahren 1885 bis 1889, da war sie schon 50 Jahre alt. In diesen vier Jahren stampfte sie, angeregt durch ihre Freundin, die Königin Elisabeth von Rumänien, die unter dem Namen Carmen Sylva etliche Werke veröffentlichte, über 350 Gedichte aus dem Boden und reimte sich darin ihr ungereimtes Leben zurecht. In ihren vielfach witzigen und ironischen Texten verarbeitete sie ihren Lebensfrust, ihre Kritik an den Habsburgern, der aristokratischen Hofgesellschaft und lästerte über die baufällige Ruine der Monarchie, in der sie selbst hauste:

Ihr lieben Völker im weiten Reich,
so ganz im Geheimen bewundere ich euch:
Da nährt ihr mit eurem Schweiße und Blut,
Gutmütig diese verkommene Brut.

Kaiserin Elisabeth (Zeichnung: Alfons Schweiggert)

 

Kaiserin Elisabeths, gebürtige Münchnerin
Zeichnung: Alfons Schweiggert, München

In zahlreichen Spottgedichten zeigt sie einen höchst boshaften Humor. Während sie sich selbst nach Shakespeares „Sommernachtstraum“, ihrem absoluten Lieblingsstück, als Feenkönigin Titania sieht, schiebt sie ihrem Ehemann Kaiser Franz Joseph die Rolle des Esels zu, zumal er ihre lyrischen Ergüsse nur als „Wolkenkraxeleien“ abtut. Sie weiß, dass er ihr an Intelligenz und Bildung nicht das Wasser reichen kann. Zu ihrem Glück kennt er die boshaften Verse seiner Frau nicht, die über ihn spöttelt:

Immer doch beim Morgengrauen
An´s Herz gedrückt noch warm,
Mußt ich mit Entsetzen schauen
Den Eselskopf im Arm.
Ja, du schienst mit deinem grauen
Haupte immer ganz und gar
Einem Esel gleichzuschauen,
Ähnlich bis aufs kleinste Haar.

Im Traum nimmt sie sogar frech seinen Platz ein, sieht sich als „Kaiser“ und verhöhnt sein politisches Unvermögen.

Ich war heut Nacht ein Kaiser,
Doch freilich nur im Traum
Dazu auch noch ein weiser,
Wie´s solchen gibt wohl kaum.

That schön den Russen, Preussen,
Galt´s meines Landes Wohl,
Ja, auf den Kopf sie scheissen
Ließ ich mir demutsvoll.

Sie bedauert das arme Volk, das vom Adel, dem sie allerdings selbst angehört, ausgebeutet wird:

Das arme Landvolk schwitzet,
Bebaut mühsam sein Feld.
Umsonst! Gleich wird stibitzet
Ihm wiederum sein Geld.

Kanonen sind sehr teuer.
Wir brauchen deren viel.
Besonders aber heuer
Wo ernst wird aus dem Spiel.

Wer weiß! Gäb´s keine Fürsten,
Gäb´ es auch keinen Krieg;
Aus wär´ das teure Dürsten
Nach Schlachten und nach Sieg.

Und sollten sie entscheiden,
Die Republik muss sein,
So willige mit Freuden
In ihren Wunsch ich ein.

Doch sich als Republikanerin auch zu outen, das ließ sie dann doch lieber bleiben:

Den Traum, als ich erwachte,
Hab’ keinem ich erzählt;
Sonst sperren sie mich sachte
Noch gar ins Bründelfeld.

Mit Bründelfeld ist die Wiener Irrenanstalt gemeint. Dass Elisabeth ein bisserl verrückt war, wussten auch ihre Verehrer, über die sie sich aber nur lustig machte und einen jeden warnt sie:

Besitzest du den kecken Mut,
Mich jemals zu erreichen?
Dich tödtet meine kalte Glut
Ich tanze gern auf Leichen.
In meiner schönen Mache
Verzapple dich zu Tod.
Ich schaue zu und lache
Von jetzt bis Morgenrot.

Elisabeths „Intimfeindin Nummer Eins“ war Fürstin Pauline Metternich, die wegen ihres losen Mundwerks am Hof „Mauline Petternich“ genannt wurde. Über Paulines aufgedonnerte Erscheinung spöttelte die Kaiserin:

Sie stand im weiten Kreis der Damen;
Auch sie war Lady Patroness,
Beleuchtet von des Gases Flammen
Die Lauteste in dem Kongress.

Das Haupt besetzt mit Diamanten,
Vom stolzen Federschmuck umwallt;
In reichen Stoff aus fernen Landen
Den allzu üpp´gen Leib geschnallt.

Ihr Antlitz, wie soll ich´s beschreiben?
Als würden hundert Affen drin
Ihr tolles Wesen höhnend treiben,
So war´s, als es vor mir erschien.

Mit weisser Farb war´s überzogen,
Und hinter keck geschwärzten Brau´n
Da war, mir freundlich nicht gewogen,
Ein boshaft Augenpaar zu schau´n.

Doch ihren Mund nun auszumalen,
Wo nehme ich die Farben her?
Zu Rosen, Kirschen, solch banalen
Vergleichen greif´ ich nimmermehr.

Ein solches Rot schmückt keine Blume,
Und auch kein Obst nannt´s jemals sein;
Nicht heut´ und nicht im Altertume
Gab´s einen zweiten solchen Schein.

Zwei Zoll breit sind die Wunderlippen
Mit diesem Purpur angetan …
Und glaubt ihr, dass ich übertrieben,
So geht, und schaut sie selber an.

Die Lust am Dichten erstickte 1889 der Suizid ihres Sohnes, des Kronprinzen Rudolf. Sie ordnete nun ihr poetisches Tagebuch, das aus den „Nordseeliedern“, „Winterliedern“ und aus dem sogenannten „Dritten Buch“ besteht, und verschloss es in einer Kassette. Dazu legte sie einen Brief an die Nachgeborenen, und schrieb:

Liebe Zukunfts-Seele!
Dir übergebe ich diese Schriften. Der Meister hat sie mir dictiert, und auch er hat ihren Zweck bestimmt, nämlich vom Jahre 1890 an in 60 Jahren sollen sie veröffentlicht werden zum besten politisch Verurteilter und deren hilfebedürftigen Angehörigen. Denn in 60 Jahren so wenig wie heute werden Glück und Friede, das heißt Freiheit auf unserem kleinen Sterne heimisch sein. Vielleicht auf einem Andern? Heute vermag ich Dir dies nicht zu sagen, vielleicht wenn Du diese Zeilen liest – Mit herzlichem Gruß, denn ich fühle Du bist mir gut,
                                                      Titania
Geschrieben im Hochsommer des Jahres 1890, und zwar im eilig dahinsausenden Extrazug.

Elisabeths skandalöse Gedichte konnten auf Dauer selbstverständlich nicht im österreichischen Kaiserhaus bleiben, da sie ihrer habsburgischen Verwandtschaft und den österreichischen Behörden misstraute. Sie ordnete an, dass die Texte nach ihrem Tod von ihrem Lieblingsbruder Herzog Karl Theodor in die liberale Schweiz verfrachtet und dort dem Präsidenten der Schweizer Eidgenossenschaft übergeben werden. Die Gedichte wurden jedoch nicht, wie von ihr erhofft, schon 1950 veröffentlicht. Erst 1979 erhielt die Historikerin Brigitte Hamann Einsicht und gab fünf Jahre später, 1984, das fast 400 Seiten umfassende „Poetische Tagebuch der Kaiserin Elisabeth“ heraus.

Dass alle Einnahmen aus ihrem Gedichtband „zum besten politisch Verurteilter und deren hilfsbedürftigen Angehörigen“ verwendet werden, auch diese Anordnung der Kaiserin wurde erfüllt und die Schweiz bestimmte zur Erfüllung ihres Auftrags das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) in Österreich. Mit dem Erlös der bislang bald 30 Tausend verkauften Exemplare konnten schon zahlreiche Projekte finanziert werden, die Verfolgten und Asylsuchenden zu Gute kamen.

Wenn Kritiker behaupten, dass die Gedichte der 1898 am Ufer des Genfer Sees von einem Anarchisten erdolchten Kaiserin keinesfalls lyrische Spitzenleistungen sind, so wusste das Elisabeth selbst. Was sie von ihren Reimereien mitunter hielt, äußerte sie beispielsweise selbstironisch über ihre der Nordsee gewidmeten Lieder.

Die Feder, die ich vier Wochen
In deine Fluten getaucht,
Nun hab´ ich sie zerbrochen,
Sie wird nicht mehr gebraucht.

Vier Wochen hat sie besungen
Dich ohne Unterlass;
Ob diess ihr wohl auch gelungen?
Ach, wir bezweifeln das!

[…] Die Poesie können holen,
(die ich ins Meer versenkt,)
Die Kabeljau und die Sohlen;
Ihnen sei sie geschenkt.

Als Fischfutter ist Elisabeths „Poetisches Tagebuch“ jedoch viel zu schade. Ihre Gedichte sind allemal ein Faszinosum auf dem Gebiet der Lyrik, finden sich darin doch zahlreiche rührende Passagen mit Tiefgang, Witz und tiefem Gefühl, aber auch boshafte, zynische Ergüsse und geben Auskunft über das schillernde Leben einer der ungewöhnlichsten Monarchinnen des 19. Jahrhunderts. Für den Literaturwissenschaftler Joseph A. Kruse, ausgewiesenen Heine-Kenner und viele Jahre Vorsitzenden der Heinrich Heine-Gesellschaft, sind Elisabeths Verse ein interessantes „Echo aus der Heine-Schule“, weshalb es unangebracht sei, „die literarischen Arbeiten der Kaiserin einfach als billige psychologische Ersatzhandlungen abzuqualifizieren, und als mehr oder weniger mißlungene literarische Parodien für den Privatgebrauch einzustufen.“

 

Alfons Schweiggert. Foto: Gerd Pfeiffer, München
Alfons Schweiggert. Foto: Gerd Pfeiffer, München

»Humor in der Lyrik« wird Ihnen von Alfons Schweiggert präsentiert. Der Münchner Schriftsteller veröffentlichte neben Erzählungen und seinem Roman »Das Buch« mehrere Lyrikbände, Biographien und Sachbücher sowie Kinder- und Jugendbücher. Nach mehrjähriger Lehrtätigkeit als Institutsrektor am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung in München ist er seit 2010 freischaffender Autor. Schweiggert ist Präsidiumsmitglied der Schriftstellervereinigung Turmschreiber und Vorstand der »Karl Valentin-Gesellschaft«.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Humor in der Lyrik« finden Sie hier.

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