Tobias Burghardt flaniert jeweils am 5. eines Monats auf DAS GEDICHT blog durch die südlichen Gefilde der Weltpoesie. In der Rubrik »Im babylonischen Süden der Lyrik« werden Sprachgemarkungen überschritten und aktuelle Räume der poetischen Peripherien, die innovative Mittelpunkte bilden, vorgestellt.
Dem 150. Geburtsjubiläum von Mahatma Gandhi waren die letzten fünf Tage des auslaufenden Jahres 2019 bei dem zum siebten Mal im neuen Jahrtausend stattfindenden »World Thinkers’ and Writers’ Peace Meet« der Internationalen Gesellschaft für Interkulturelle Studien und Forschung ̶ ISISAR in der südasiatischen Megalopolis Kolkata, Westbengalen (Indien), gewidmet.
Denker:innen und Dichter:innen waren aus fast allen Kontinenten (mit Ausnahme Australiens mit Ozeanien und Neuseeland) zum Weltnabel der plurikulturellen und multilingualen Megacity Kolkata gereist, um gemeinsam über die brennenden sozialen, humanitären, friedens- und freiheitspolitischen sowie ökologischen Probleme innerhalb der planetarischen Krise unserer Gegenwart unter dem Motto »Kultur & Suche« zu diskutieren.
Dass dabei interdisziplinär der Poesie ein besonderer Stellenwert beigemessen wird, versteht sich im Süden von selbst, ebenso der Musik, u.a. durch ein wundervolles Konzert der renommierten Sitaristin Mita Nag, dem Tanz, der Ästhetik und den geistigen Traditionen. Ein Schwerpunkt bildete dabei die bengalische Poesie Indiens und Bangladeschs, die mit Rabindranath Thakur (Tagore) und Jibanananda Das einige bedeutende moderne Klassiker sowie ausgezeichnete heutige Dichter wie Biplab Majee, Aminur Rahman, Dr. Sudipto Chatterjee oder Ahmed Tahsin Shams und Amanita Sen vorweisen kann, um nur sehr wenige der zahlreich anwesenden zu nennen; hierzu siehe auch »Im babylonischen Süden der Lyrik« Folge 20, Folge 24, Folge 45, Folge 48, Folge 49 und Folge 55.
Kultur:en im Sinnbild eines Baumes bilden dabei weder die Blätter, noch die Zweige, noch den Stamm, sondern eher die Wurzel Indiens und der globalen Welt an sich, die auseinanderzubrechen droht, wenn die Einheit dieser Vielfalt der Nationen, Traditionen, Sprachen und Literaturen durch abwegige parteipolitisch-unilaterale und national-populistische Strömungen bedroht wird. Oder in den Worten von Bapu Mahatma Gandhi: »Let us work together. / For unity and peace.« (Lasst uns gemeinsam arbeiten. / Für Einheit und Frieden.)
Weitere Eindrücke vom VII. Friedens- und Poesiefest in Kolkata folgen demnächst.
Tobias Burghardt (Jahrgang 1961) ist Lyriker, Übersetzer und Verleger der Stuttgarter Edition Delta (www.edition-delta.de). Er veröffentlichte mehrere Lyrikbände, darunter seine Fluss-Trilogie sowie »Septembererde & August-Alphabet«. Zuletzt erschien seine Werkauswahl »Mitlesebuch 117« (Aphaia Verlag, Berlin/München 2018) und sein aktueller Gedichtband »Die Elemente der See«. Seine Gedichte wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und Einzeltitel erschienen in Argentinien, im Irak, in Japan, Kolumbien, Portugal, Serbien, Schweden, Uruguay und Venezuela. Er ist Mitbegründer und Koordinator des »Babylon Festivals für Internationale Kulturen & Künste«, das seit 2012 jährlich in Babylon und Bagdad stattfindet. Mit seiner Frau Juana Burghardt überträgt er lateinamerikanische Lyrik, katalanische Poesie, lusophone Lyrik und spanische Poesie. Sie sind Herausgeber und Übersetzer der Werkreihe von Miquel Martí i Pol, aus der Pep Guardiola im Sommer 2015 im Literaturhaus München las, und seit Herbst 2014 der Stuttgarter Juarroz-Werkausgabe, dem wir das GEDICHT-Motto »Ein Gedicht rettet einen Tag« (Roberto Juarroz) verdanken. Im Frühjahr 2017 wurden beide für ihr jeweiliges poetisches Werk und ihr gemeinsames literarisches Engagement zwischen den Kulturen und Sprachen mit dem Internationalen KATHAK-Literaturpreis in der südasiatischen Metropole Dhaka, Bangladesch, ausgezeichnet. Tobias Burghardt war GEDICHT-Redakteur der ersten Stunde und organisierte immer wieder wunderbare Sonderteile mit lateinamerikanischer Poesie für unsere Zeitschrift DAS GEDICHT.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Im babylonischen Süden der Lyrik« finden Sie hier.