Der Montag ist der unbeliebteste Tag der Woche. Für die meisten Deutschen zumindest. Der Montagsblues ist viel besungen und beschrieben – und tatsächlich kommen viele am Montag noch schlechter aus dem Bett als an anderen Tagen. Montags gibt’s die meisten Krankmeldungen, Unfälle und Herzinfarkte, sogar E-Mails sollen montags mehr Schreibfehler enthalten. Höchste Zeit also, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Zwölf Wochen lang möchte DAS GEDICHT blog den Montag verschönern – mit Lyrik morgens um sieben. Zwölf Gedichte rund um Freude und Leid am Morgen, ausgewählt und gesprochen von Sandra Blume, sollen das Aufstehenmüssen versüßen.
Einfach noch einmal kurz ins Kissen lehnen, die Augen schließen und mit einem Gedicht die Sonne aufgehen lassen.
Sandra Blume liest: »Sonnenaufgang in Venedig« von Stefan Zweig
Stefan Zweig
Sonnenaufgang in Venedig
Erwachende Glocken. – In allen Kanälen
Flackt erst ein Schimmer, noch zitternd und matt,
Und aus dem träumenden Dunkel schälen
Sich schleichend die Linien der ewigen Stadt.
Sanft füllt sich der Himmel mit Farben und Klängen,
Fernsilbern sind die Lagunen erhellt.-
Die Glöckner läuten mit brennenden Strängen,
Als rissen sie selbst den Tag in die Welt.
Und nun das erste flutende Dämmern!
Wie Flaum von schwebenden Wolken rollt,
Spannt sich von Turm zu Türmen das Hämmern
Der Glocken, ein Netz von bebendem Gold.
Und schneller und heller. Ganz ungeheuer
Bläht sich das Dämmern. – Da bauscht es und birst,
Und Sonne stürzt wie fressendes Feuer
Gierig sich weiter von First zu First.
Der Morgen taut nieder in goldenen Flocken,
Und alle Dächer sind Glorie und Glast.
Und nun erst halten die ruhelosen Glocken
Auf ihren strahlenden Türmen Rast.
Stefan Zweig (1881 – 1942)
Eigene lyrische Texte und Fotografien veröffentlicht sie seit 2016, insbesondere auf ihrem Blog www.herzhuepfen.com sowie unter ihrem Namen auf facebook. Im Münchner Schillo Verlag sind aktuell zwanzig ihrer Gedichte in einer Anthologie erschienen.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Lyrik rettet den Montag« finden Sie hier.