»Meer-Maid« von Franziska Ruprecht

rezensiert von David Westphal

Im Januar 2015 ist im Schweizer Verlag Wolfbach der erste Gedichtband der jungen Lyrikerin, Slam-Poetin und Performance-Literatin Franziska Ruprecht erschienen. Das Cover der Broschur springt mit starken Kontrasten ins Auge: schwarze Schrift auf weißem Untergrund und ein Portrait der Autorin in magentafarbenen Konturen. Auch wenn die aktuelle gleichzeitig ihre erste Einzel-Publikation ist: Franziska Ruprecht ist gewiss kein unbeschriebenes Blatt. Seit Januar 2002 hat die studierte Wortkünstlerin in vielerlei Zeitungen, Zeitschriften und Online publiziert. Da scheint ein erster Gedichtband dreizehn Jahre nach ersten Veröffentlichungen ein überfälliger Schritt zu sein. Wie kommt das? Möglicherweise, da sich Ruprecht vor allem als Performance Poetin versteht und Performance benötigt eine Sache ganz besonders: eine Bühne! Umso spannender nun zu prüfen, wie sich eine hingebungsvolle Bühnenkünstlerin auf dem Papier ihrem Publikum stellt.

Im Titel »Meer-Maid« versteckt sich bereits ein kleines Wortspiel. Die englische Mermaid (Meerjungfrau) verschwägert sich mit dem deutschen Meer und einer Maid, also einem Mädchen oder einer jungen Frau. Die drei Kapitel des Bandes sind betitelt mit »Mehrmänner«, »Fabelfrau« und »Zuvielland«. Mit diesen vier Begriffen präsentiert sich dem Leser bereits das Programm des Bandes, dessen Leitfigur und gleichzeitig das lyrische Ich eben jene junge Frau aus dem Titel ist.

Zunächst habe ich mich, als Leser, etwas in die Irre führen lassen. Ich wunderte mich über die einseitige Themenwahl der Gedichte. Denn hauptsächlich geht es um Liebe, Sex und Zärtlichkeit. Das erschien mir etwas eng umspannt. Dann erst wurde mir im Laufe klar, um wen es hier geht; nämlich um diese (spät)pubertäre, junge Frau aus dem Titel. Der Begriff ›spätpubertär‹ muss dabei nicht abwertend gelesen werden. In gewissem Alter, wenn die eigene sexuelle Rolle beginnt sich zu entfalten und sich die eigene Persönlichkeit ihre Reibungsflächen sucht, um sich zu schleifen und zu Formen, da geht es selten vernünftig zu und häufig dreht sich alles um das eine Thema. Nichtsdestotrotz sind die jugendlichen Jahre voll von Erlebnissen, die gleichermaßen prägend sind, aber jeglicher sexueller Aufladung entbehren; und in dieser Hinsicht nutzt die Autorin die Themenfelder Sexualität, Partnerschaft und Geschlechterrollen oft nicht mit der möglichen Tiefe. Das dritte Kapitel »Zuvielland« verleiht diesem Band dann aber doch noch mehr Vielseitigkeit und fügt Themen wie den Wandel der Zeit, Unsicherheit, Ängste und Heimat hinzu.

Stilistisch zeigen sich Ruprechts Gedichte einerseits sehr wortgewandt und spielerisch, manchmal aber etwas zu rhythmisch – trotz der Dynamik, die ihre Performance auf der Bühne hat und die auch spürbar in ihrem Buch ist. Die Dynamik der Gedichte rührt daher, dass in schnellen Schritten mit unterhaltsamem Wortwitz und ohne festgelegte Formen frisch und jung erzählt, kokettiert und mit verschiedenen Sprachen gespielt wird. Hauptsächlich begleiten Anglizismen die Verse, so wie es typisch für junge Menschen heutzutage ist. Die erwähnte rhythmische Dominanz, die mir nach längerem Lesen des Bandes aufgefallen ist, mag zwei Ursachen haben: Häufig finde ich mich in diesem ganz charakteristischen Slam-Rhythmus, der auf Poetry-Slams oft bei lyrischen Texten anzutreffen ist. Es ist jener Rhythmus, den viele als musikalisch wahrnehmen, da er den Eindruck macht, als könne das Gedicht auch als Liedtext für einen Rap-Song dienen. Gleichzeitig weiß man aber auch, wie eintönig Rap-Songs auf Dauer werden können, insbesondere wenn einem – wie mir – diese Musikrichtung nicht liegt. Hinzu kommt eine an jugendlich-flapsige Aussprache angelehnte Schreibweise: »zwischen Jeans und deim trendy Shirt«, »an-gekommn«, »solltest du mit Zucker sparn«. Dieses Gesamtpaket, so authentisch es auch auf der Bühne rüberkommt, kann bei manchen Lesern jedoch einen klischeehaften Eindruck hinterlassen.

Das Buch nimmt einen schwierigen Platz ein: Es soll selbstverständlich neue Leser auf die Fährte der Autorin bringen, gleichzeitig lebt die Autorin aber auf der Bühne – und zwar nicht auf Wasserglaslesebühnen –, wo die textuelle Form der Gedichte keine Rolle spielt. Vielleicht ist es wie mit Musik: CDs und Schallplatten sind eigentlich nur eine Allegorie, eine Erinnerung an das Erlebnis eines Konzertes. Denn Fan wird man vor der Bühne und eigentlich nicht zu Hause vor den Boxen. Dort wartet man im Grunde nur gespannt auf den Liveauftritt. Vielleicht ist man aber auch etwas enttäuscht von den Tonträgern, obwohl man Fan ist, da sich die Musik aus der Konserve mitunter als weniger wirkungsvoll erweist, als der fulminante und glitzernde Auftritt. Ob so oder so: für Kunst, die vom Auftritt lebt, ist das Buch vor allem ein ergänzendes Medium.

Meer-Maid von Franziska RuprechtFranziska Ruprecht
Meer-Maid

Wolfbach Verlag, CH-Zürich 2015
Softcover, 140 S.
€ 15,90 (D)

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