Melanie am Letzten – Folge 66: Prophylaktisches Kommunalwahlbesäufnis

Es ist ein Wahnsinn, ein Irrsinn und nicht selten ein Blödsinn: So geht es zu im Tollhaus Welt. Der Mensch neigt zu seltsamen Verhaltensweisen, die schockieren, alarmieren oder amüsieren können. Was hilft zu guter Letzt? Die Poesie. Nicht ärgern, stänkern oder meckern, sondern dichten – meint die schwarzhumorige Poetin Melanie Arzenheimer und kommentiert die Deadlines des Lebens jeweils am Monatsende auf DAS GEDICHT blog.

 

Jede Jahreszeit hat so ihre Eigenheiten. Und vor allem: Jede Jahreszeit hat ihr eigenes Bier. Zumindest in Bayern. Momentan befinden wir uns in der Starkbierzeit, denn es ist gleichzeitig Fastenzeit. Klingt ein wenig verwirrend, aber je weniger man essen darf, desto gehaltvoller sollte das Bier sein, um möglichen Mangelerscheinungen vorzubeugen. Um aber nun eine ordentliche Menge dieses Starkbiers (der Name sagt ja schon, dass es besonders stark ist) zu vertragen, ist eine vernünftige Grundlage an Nahrung nötig. Deswegen sollte man zu diesem Bier durchaus deftige, fettige Speisen (also ein kleines Schweinshaxerl mit Knödel und Soße zum Beispiel) zu sich nehmen, denn nur zu trinken wäre ja auch wieder gesundheitsgefährdend. Dem Sinn der Fastenzeit wiederum entspricht diese Nahrungsaufnahme gar nicht, aber bitteschön, man kann es eben nicht allen recht machen.

Und man muss in der Starkbierzeit ja nicht nur das Essen verdauen können, sondern auch die vielen Ansprachen von Politikern und Startbierrednern. Zu jedem Stark- oder Bockbieranstich gehört ein Bruder Barnabas, der die lokalen Politgrößen „derbleckt“ (hochdeutsch in etwa: verspottet). Oder noch schlimmer: Die Politiker schreiten selbst ans Rednerpult, um andere verbal rund zu machen. Erschwerend kommt aktuell hinzu, dass wir uns in Bayern im Endspurt des Kommunalwahlkampfs befinden. Und so kommt man ihnen nicht aus, den Bewerbern um die Mandate in Gemeinderäten und Kreistagen, im Stadtrat und im Landratsamt. Als Bürger fühlt man sich da fast schon verfolgt, wenn man einfach nur seinen Schweinshaxn (nicht am Freitag natürlich) und ein Bier konsumieren will. Schon wird man freundlichst gegrüßt von einem, der vor einem halben Jahr vielleicht grad noch die Augenbraue hochgezogen hat, wenn man einen Versuch der persönlichen Kontaktaufnahme gestartet hat. Aber jetzt, wo er in den Stadtrat will…

Und bei jedem Fest springen die Mandatsträger in Spe vor die Linsen der Fotografen, prügeln sich fast darum, wer denn nun den Starkbieranstich vollziehen darf und saufen sich das Ergebnis bei der Kommunalwahl schön. Na, dann Prost!

 

Nahaufnahme
beim Bockbieranstich

Dem
Großkopferten
huscht ein
Lächeln
übers
Freibiergesicht

 

© Melanie Arzenheimer, Eichstätt

 

Melanie Arzenheimer. Foto: Volker Derlath
Melanie Arzenheimer. Foto: Volker Derlath

»Melanie am Letzten« wird Ihnen von Melanie Arzenheimer präsentiert. Sie wurde 1972 in Eichstätt / Bayern geboren, wo sie heute noch wohnt. Melanie Arzenheimer arbeitet als freiberufliche Journalistin, Autorin und Hörfunkmoderatorin.
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