Neue Blätter – neue Inspiration

Verführt Poeten zu neuen Werken: die Netz-Anthologie »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« sorgt für frische Inspiration

Ein Zwischen- und Aufruf des Herausgebers Jan-Eike Hornauer

Dass Dichter poetisch auf Werke ihrer Kollegen reagieren, ist nicht nur seit jeher recht üblich und für die Dichtkunst äußerst fruchtbar (wie allgemein in den Künsten), sondern auch Grundidee der Online-Anthologie »Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie«. In ihr geht es darum, bestehende Poeme neu zu verarbeiten. Fortschreibung, Parodie, Kommentar – alles ist dabei erlaubt. Besonders erfreulich: Diese jüngst erst gestartete Sammlung findet nicht nur allgemein bereits sehr positive Resonanz, sondern hat mit ihren neuen Blättern wiederum für noch neuere Blätter gesorgt: Angeregt von den hier veröffentlichten Werken, haben Dichter eigene Versionen verfasst und mir zukommen lassen.

Das trifft natürlich den Kerngedanken dieser Online-Anthologie ebenso wie jenen eines Blogs (also auch dieses Publikationsorgans hier) und hat entsprechend in der Redaktion von DAS GEDICHT blog allgemein sowie bei mir ganz persönlich Begeisterung ausgelöst. Folgerichtig sollen die eingesandten und absolut lesenswerten Beiträge zu den Beiträgen von »Gedichte mit Tradition« auch nicht verschwiegen, sondern im Folgenden veröffentlicht sein.

Mitmachen erwünscht

Überdies möchte ich alle interessierten Poeten dazu aufrufen, mir auch weiterhin neue, bislang unveröffentlichte »Gedichte mit Tradition« zuzuschicken, für neue Folgen der Open-End-Netzanthologie sowie als Kommentar resp. Erweiterung bestehender oder kommender Folgen (also für die Rubrik »Dichter antworten«). Und zwar an folgende E-Mail-Adresse: hornauer@textzuechterei.de. Eine Veröffentlichungsgarantie gibt es hier zwar nicht, doch dies ist, denke ich, im Sinne aller Beteiligten und der Leser, schließlich macht nur eine qualitativ überzeugende Lyriksammlung auch wirklich Sinn und kann nur sie auch dem Anspruch gerecht werden, dichterische Traditionen tatsächlich fortzuschreiben. Und überzeugende Traditionsgedichte finden, ob der Name des Verfassers nun schon groß oder noch eher klein sein mag, gewiss ihren Platz in dieser Reihe.

Die bisherigen poetischen Zuschriften

Dies sind die poetischen Reaktionen, die uns so sehr begeistern, dass wir sie, freilich nach Absprache mit den Dichtern, unbedingt online stellen müssen. Gerade Karl-Ludwig Kuss’ »Säugetiers Wiedergeburt« nach Johann Wolfgang von Goethes »Wanderers Nachtlied« hat offenkundig einen echten Nerv getroffen.
 

Zu Folge 2: »was eigentlich los ist« von Jörg Neugebauer

Michael Lehmler

eigentlich

was eigentlich los ist
alles ist los
herzlos

was eigentlich los ist
nichts ist los
leblos

was eigentlich los ist
eigentlich ist nichts
wirklich
 

© Michael Lehmler, Köln
 

Zu Folge 4: »Säugetiers Wiedergeburt« von Karl-Ludwig Kuss

Michael Schönen

Anderes Nachtlied

Beinah jeder dritte
nimmt zu.
In der Liebesmitte
spürest du
schon einen Bauch.
Die Appetitzügler und -hemmer,
wart nur, du Schlemmer,
nimmst sie bald auch.
 

© Michael Schönen, Leverkusen
 

Judith-Katja Raab

Gipfel

Über allen Gipfeln
Die Kuh,
In allen Wipfeln
Tönet Muh,
Kaum eine Tat;
Die Rindviecher nicken im Stalle.
Warte nur! Alle
muhen Verrat.
 

© Judith-Katja Raab, Veitshöchheim
 

Judith-Katja Raab

Schwulst

Schmalzt ein Schnulz in allen Schlippen,
die da schlüpfern fort und fort.
Wenn ein Schwulst hebt an zu schwippen,
triffst du nie ein Ehrenwort.
 

© Judith-Katja Raab, Veitshöchheim

(Inspiriert von »Säugetiers Wiedergeburt« und verfasst im Stile des Kuss-Gedichts sowie nach dieser Traditionsvorlage:

Joseph von Eichendorff

Wünschelrute

Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.)

 

Gedichte mit Tradition»Gedichte mit Tradition« im Archiv

»Gedichte mit Tradition – Neue Blätter am Stammbaum der Poesie« ist eine Online-Sammlung erstveröffentlichter zeitgenössischer Poeme, die zentral auf ein bedeutendes Werk referieren, ob nun ernsthaft oder humoristisch, sich verbeugend oder kritisch. Jeden Freitag erscheint eine neue Folge der von Jan-Eike Hornauer herausgegebenen Open-End-Anthologie. Alle bereits geposteten Folgen finden Sie hier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert