Sinnliche Lyrik, Folge 3: Mensch-Sprache-Papier-Gedichte von Patricia Mathes

Die Reihe »Sinnliche Lyrik« vereint zeitgenössische Gedichte, die mit einem sinnlichen Sprachgebrauch spielen, die in ihrer Körperlichkeit klingen und wirken. Jeden zweiten Monat, jeweils am 25., stellt Sophia Lunra Schnack eine weitere Kostprobe vor – und mit ihr einen neuen Dichter oder eine neue Dichterin.


Patricia Mathes

was da aufsteigt

was da aufsteigt
muss doch irgendwer geatmet haben
was da drin liegt
muss doch irgendwer erst
quergelesen haben und geprüft
dass man schon öffnen kann
was da nicht steht

stand da noch nie
und doch steht nichts
in dem nicht steht
was da nicht stand

habe ich heimlich
auf das schmierpapier
des erstens schnees gelegt

der sich traut es
einen ganzen
schritt lang auf
zu schweigen


wer als erstes kommt malt zuerst

als würdest du erst noch
gezeichnet werden müssen
um dich selbst

zeichnen zu können
zur ersten skizze
die weiß welcher

umriss reicht
dem blatt
das man dir gab
nicht überzustehen

als würde
deine eigene hand
sich wehren etwas
anderes als stets
sich selbst nach
zu ziehen

als wäre
wer als erster malt
tatsächlich als letzter
lebendig


an land

welches wort geschah sich uns zu ende
zog es sich an land oder auf um sich
seiner schrift wie weit voraus zu gehen wände

umstülpten sich auf und ich vergaß mich
noch einmal neu als wäre man ein zelt
in dem man sich im liegen lassen gleich

zeitig ein mitnehmen ist lösen wir die welt
auf um uns selbst am ende aufzulösen
man darf nichts wissen das sich uns länger hält

als die idee dass ein gedicht zu lesen
ist


© Patricia Mathes, Wien


Zur Autorin:
Die Lyrikerin Patricia Mathes wurde 1994 in Mödling (Niederösterreich) geboren. Sie lebt und arbeitet in Wien, wo sie auch ihr Lehramtsstudium in den Fächern Englisch und Französisch abgeschlossen hat.

Bisher Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien, u. a. etcetera, wiener werkstattpreis, zeitschrift der schule für dichtung wien. 2023 erhielt sie das Hans-Weigl-Literaturstipendium des Landes Niederösterreich zugesprochen.


Sophia Lunra Schnack (Foto: Walter Pobaschnig)

Zur Herausgeberin:
Sophia Lunra Schnack ist selbst Lyrikerin und zudem Prosaautorin, sie schreibt auf Deutsch und Französisch. Geboren wurde sie 1990 in Wien, wo sie derzeit auch lebt. Studium der Französischen, Italienischen und Deutschen Philologie in Wien, Mulhouse und Bologna. Bisher Veröffentlichungen u. a. in manuskripte, Poesiegalerie, Das Gedicht und Signaturen. Dazu erhielt Schnack 2022 den Rotahorn-Förderpreis.

Ihr Debütroman »feuchtes holz« ist kürzlich bei Otto Müller erschienen. Momentan Arbeit an der Kurzprosasammlung »Fliederkuss« sowie am zweisprachigen Lyrikzyklus »wimpern piniengrün – cils vert de pins«.

www.sophialunraschnack.com



Alle bereits erschienenen Folgen von »Sinnliche Lyrik« finden Sie hier.



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