Ein ankündigendes Vorwort des Herausgebers Jan-Eike Hornauer
»Wenn Liebe schwant«, die Online-Anthologie erstveröffentlichter komischer Liebesgedichte aus dem vergangenen Jahr, hat für derart wunderbare Resonanz beim Publikum gesorgt und allen Beteiligten so eine Freude bereitet, dass schnell klar war: Hier wird es eine Fortsetzung geben. Unter dem Titel »Wenn Liebe schwant II« erscheint sie nun. Jeden Montag und Mittwoch wird 20 Folgen lang je ein anderer Poet einen je anderen Flecken auf dem breiten Feld der Liebe humoristisch beleuchten, und dies mal mit grellem Schlaglicht und mal mit dezentem Kerzenschein – und meist mit irgendwas dazwischen, einer Taschenlampe mit Handkurbel etwa, oder was auch immer Sie sich vorstellen mögen.
Wiederholungen sind ja oft überflüssig. Warum es hier trotzdem eine gibt? Nun, weil es eine Wiederholung ohne Redundanz ist. Das war schon von Beginn an, schon bei der Idee, eine Fortsetzung zu machen, klar. Zu groß ist das genannte Feld, zu viele und zu gute Dichter waren und sind beteiligt, als dass es mit einer kleinen Mahd schon erledigt hätte sein können. Handfeste Doppelungen oder auch nur anödende Strukturwiederholungen standen hier nicht zu erwarten, nicht bei den Gedichtangeboten und erst recht nicht in der veröffentlichten Sammlung, die ja, wie immer, Ergebnis einer harten Auswahl ist.
Neue Namen und alte Bekannte
Etliche der Namen aus »Wenn Liebe schwant II« werden Ihnen bereits aus Teil I bekannt vorkommen, doch auch manch weiterer Poet hat mit seinem Gedicht den Weg unter die aktuellen Top 20 aus meiner Sicht geschafft. Anzumerken ist hier: Der Kreis der Dichter, die auf den Aufruf zur Mitwirkung reagiert resp. ihn erhalten haben (man wird ja doch immer auch auf weitere Lyriker aufmerksam; und manch »alter Hase« kann oder will auch mal nicht einreichen), war nicht identisch. Es lässt sich also aus einer einmaligen Aufnahme keineswegs schließen, dass es bei der anderen Sammlung eine Absage gegeben hat.
Auffallend ist jedenfalls: »Komische Liebesgedichte« sind zwar schon eine recht spezielle Literaturgattung, doch auch eine reich bearbeitete. Das zeigt nicht nur meine direkte Erfahrung mit Poeten, nein, ganz allgemein scheint sich die klare Mehrheit der Dichter zumindest mal in ihr zu versuchen, wie schon ein recht flüchtiger Blick in die Literaturgeschichte zeigt. Und das gilt von deren Anfängen bis in die Gegenwart.
In der Liebe wird der Mensch eben existentiell – und ist dem Hohen so nah wie der Lächerlichkeit. Hier, beim Thema Liebe, kann und muss jeder mitreden, weil es das Innerste betrifft. Weil das Thema allgegenwärtig ist und niemals ausgeschöpft – zu groß und zu facettenreich präsentiert es sich dafür, und aus jeder Perspektive und in jeder Zeit (Lebenszeit und Weltzeit) wieder anders.
Man will es verstehen und wird es doch nie können, nie in seiner Gänze. Und mit dem Blick aufs eigene Leben und das der anderen aus dem Staunen und dem Kopfschütteln nie ganz herauskommen, aus der Begeisterung nicht und nicht aus dem Leid.
Und will man dieses Überthema auch nur ansatzweise zu fassen bekommen, so geht dies nicht, wenn man nur Ernstes in ihm sieht. Weil es sonst gar nicht auszuhalten ist (selbst nicht als Positivum) – und weil es auch, in wirklich bedeutenden Anteilen, eben gar kein vollkommen ernstes (wiewohl es sich auch dann sehr oft ein existentiell ausprägt) Thema darstellt, sondern, hier und in weiteren Dimensionen, voller Ambivalenzen steckt.
Liebe und Lachen – eine untrennbare Verbindung besteht
Liebe und Lachen – dass das irgendwie zusammengehört, wird kaum einer bestreiten. Und dass beides nicht nur mit Spiel, Glück und Hochgefühl zu tun hat, sondern auch mit Unsicherheit, Desillusion und Verzweiflung, ist ebenso gewiss; auf jedes für sich bezogen und sicher nicht minder auf die Paarung »Liebe und Lachen« angewandt. Wer liebt, schwebt eben nicht nur im Himmel, er fühlt sich schnell auch mal wie metertief begraben. Und wer lacht, tut dies vielleicht auch nur deshalb, weil ihm keine andere Möglichkeit bleibt, um etwas zu ertragen. Liebe und Lachen haben also letztlich viel mit dem Menschen an sich zu tun, seinen hohen Freuden und tiefen Nöten. Und sind gerade deshalb als Gegenstand der Betrachtung und Beschreibung interessant.
Dazu gilt: In der Liebe geht es um ganz Großes – und allzu Profanes. Beide Extreme haben dabei schon in sich reichlich komisches Potenzial, und noch dazu stehen sie sich so nah, dass sie in wirksamstem Kontrast diese ihre Potenziale noch gewaltig steigern – und zugleich oft kaum voneinander zu unterscheiden sind, weil je nach Perspektive eine andere Zuordnung verlangt wird, sie also ihre Extremwirkung auch dahingehend entfalten, dass sie in die je andere Kategorie einfach »umkippen« können, und das ganz ohne sich zu bewegen, allein schon durch einen anderen Betrachtungswinkel. Überdies sind das Ernste und das Komische (sowohl im Großen als auch im Profanen) oft so stark ineinander verbaut, dass auch hier eine klare Trennung unmöglich ist.
Sicherheiten, klare Trennungen gibt es hier also eher wenige. Was bleibt: Ohne Liebe ist kein Leben (und wenn die Liebe nur als schmerzliche Leerstelle oder gar als ihre Kehrseite, Hass, vorhanden ist), und die Liebe kommt ohne Lachen nicht aus (so wenig wie das Leben ganz allgemein). Das ist so menschlich grundlegend, dass einleuchtet: Wer den Menschen, das Leben, zum Gegenstand seines Schaffens nimmt, der kommt an der Liebe und ihren Absurditäten gar nicht vorbei – und mithin auch nicht daran, sie darzustellen. Und dass dies wiederum auch gerne mit den Mitteln der Komik, der drastischen sowie der feinsinnigen, geschieht, ist dem Betrachtungsgegenstand schlichtweg angemessen, ja, geradezu von ihm herausgefordert (insofern ein Ding herausfordern kann).
Tiefe Einblicke und viel Vergnügen
Komische Liebesgedichte sind also eine zwingende Notwendigkeit in der Tatsache ihrer Existenz. Und sie sagen viel über uns aus, die Menschen im Allgemeinen sowie den jeweiligen Verfasser im Speziellen. Sie bieten neue Perspektiven und Einblicke – und sorgen für ganz köstliches Amüsement!
»Wenn Liebe schwant II« wird Sie, wie auch schon der Vorgänger von 2014, im besten Sinne unterhalten – und Ihnen viel zum Schmunzeln, Lachen und auch lustvoll-melancholischen Nachdenken geben, da bin ich mir sicher. Und noch dazu finden Sie hier eine stattliche Bandbreite hervorragender Gegenwartsdichter, die dem Komischen allgemein nicht abgeneigt sind, im Überblick. Ihre Namen sind teilweise schon sehr groß in der aktuellen deutschsprachigen Lyrik, teilweise noch eher unbekannt. Ihnen allen gemein ist mein Dank, mein Dank dafür, dass sie diese kleine Online-Anthologie bereichert haben.
Und nun, liebe Leser, wünsche ich Ihnen die kommenden Wochen einen ganz wunderbaren Lektüregenuss mit »Wenn Liebe schwant II«!
Zu dieser Online-Anthologie: »Wenn Liebe schwant II« ist eine Online-Anthologie hier erstmals veröffentlichter komischer Liebesgedichte in 20 Folgen. Immer montags und mittwochs gibt es ein neues humorvoll-amouröses Verswerk zu entdecken – von je einem anderen Dichter. Wie schon »Wenn Liebe schwant« beschreibt auch diese Sammlung unterschiedlichste Aspekte aus dem ganzen Raum dessen, was mit Liebe und Beziehung zu tun hat. Sie reicht von Anfangswunschdenken über tatsächliche Verliebtheit und erstarrende Beziehungen bis hin zur Trennung und dem Danach. Erfüllung steht neben vergeblichem Sehnen, Glück neben Niederschlag, der effektvolle Lacher neben dem eher stillen Humor, die Tier- neben der Menschenwelt. Zusammengestellt wurde diese Online-Lyriksammlung von Jan-Eike Hornauer. Alle bereits im Blog geposteten Folgen von »Wenn Liebe schwant II« finden Sie hier.