Lockdown-Lyrik 2.0 / 047: »Quarantäne« von Mohamed Khalfouf

»Lockdown-Lyrik 2.0! Quarantäne poetisch ausleuchten – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« ist eine Online-Sammlung von Gedichten, die sich mit der Corona-Krise befassen. Es darf uns weiterhin die Sprache nicht verschlagen! In loser Folge erscheinen neue Episoden der nun von Sabine Schiffner, Anton G. Leitner, Alex Dreppec und Fritz Deppert herausgegebenen Anthologie (Dank an Jan-Eike Hornauer für die Mitherausgeberschaft bei Folge 1-154).

 

Mohamed Khalfouf

Quarantäne

Verlasst eure Häuser nicht
Da draußen ist das Virus
Wir sind in unseren Häusern geblieben,
wir haben unsere warmen Kokons nicht verlassen, waren wie winterschlafende Bären
Wir waren gehorsame Kinder
Wir saßen mit weißen Betttüchern
und stellten uns das Virus als Monster vor
das gnadenlos Menschen frisst
wir überwachten die Anzahl von Menschen, die weltweit starben

*. *. *

wir aßen eine Menge Nudeln
und öffneten eine Menge Thunfisch- und Sardinendosen
wir haben Toilettenpapier gehortet …
die Toilette ist die wichtigste Erfindung des Menschen, wie Matt Damon sagte.
Um zu mir zu kommen:
Ich las eine Menge und ich schrieb eine Menge
Ich schrieb und las …Und ich las und schrieb.
Ich betrachtete diese verrückte Welt durch mein Fenster.
Und sah wie die Masken von den Gesichtern fielen …
– Was denkst du vom Virus?
– Ich weiß nicht …
– Wird es vor dem Sommer vorüber sein?
– Ich weiß nicht
– Wie bewertest du die staatlichen Direktiven angesichts von Corona?
– Ich weiß nicht …
Ich habe den Fall meiner Stadt emotionslos betrachtet
Es war als wenn es in einem Traum geschehen wäre

Ich trage einen Maulkorb im Supermarkt
Ich kaufe Brot und Kaffee und Würste,
Ich denke an den Regen und die Liebe und an Kafka
und ich sehe Filme mit Tom Hanks
Ich lese eine Menge Gedichte von Selbstmorddichtern:
Die Welt ist ein Gedicht vor dem Selbstmord …
Wie geht der Roman aus, Autor?

*. *. *

Als die Quarantäne vorüber war, ging ich als erstes in die Bibliothek
Ich spazierte in den Straßen und ich tauchte ins Sonnenlicht
Die Gesichter der Menschen haben sich durch den Virus nicht verändert …
während sie den Sicherheitsabstand wahrten:
Ich bestand die Examina
Mein erstes Buch wurde abgelehnt
Ich lernte zu kochen
Ich dachte über Selbstmord nach
Ich kaufte mir eine neue Hose …
Ich tat alles und ich tat nichts …
Diese Welt zerfällt wie ein Körper
Diese Welt zerfällt Stein auf Stein
Tag auf Tag …
Hab keine Angst! Es kommt alles zurück so wie es ist
Der Mensch ist zur Transzendenz in der Lage
Er hat die Pest, die Colera, den Weltkrieg und den Rassismus überwunden …
Wir stehen vor einem kleinen Virus

*. *. *

Ich möchte nur gerne wissen
Nach all dem
Wird dies das hässlichste Virus der Geschichte sein
Oder das Wichtigste?

 

حجر صحي:

“لا تغادروا منازلكم
الفيروس في الخارج”
بقينا في منازلنا قابعين،
لم نغادر شرنقاتنا الدافئة في ما يشبه البيات الشتوي للدببة.
كنّا مثل الأطفال المطيعين ،
نتلحف بالبطانيات ،
ونتخيل الفيروس على شكل وحش
يلتهم الناس بلا رحمة،
ونراقب عدد الوفايات الممتد عير العالم…
***

أكلنا الكثير من المعكرونة و
فتحنا العديد من عُلب التونة و السردين،
خزّنا ورق التواليت بأكبر الكميات،
المرحاض أهم اختراع بشري، كما قال مات ديمون…
أما أنا :
فكتبتٌ كثيرا ، و قرأتٌ كثيرا،
كتبتٌ و قرأتٌ… قرأتٌ و كتبتُ…
كنتُ أُراقب هذا العالم المجنون عبر نافذتي،
و أرى الأقنعة تسقط عن الوجوه
ما رأيك في الفيروس؟_”
لا أعلم ! _
هل سينتهي الأمر قبل الصيف؟_
لا أعلم ! _
كيف ترى سياسات البلدان في مواجهة الكورونا؟_
لا أعلم !” _
كنتُ كمن يُراقب سقوط مدينته بلا حراك،
كأن الأمر يقع في حلم ما…
أضع الكمامة في السوبرماركت،
و أشتري الخبز و القهوة و النقانق…
أُفكر في المطر، و الحب، و في كافكا
و أُشاهد أفلام توم هانكس…
قرأتُ الكثير من القصائد لشُعراء منتحرين:
هذا العالم قصيدة قبل الانتحار ،
ما هي نهاية هذه الرواية أيها المؤلف؟
***
عندما انتهى الحجر الصحي كان أول شيء فعلته: الذهاب إلى المكتبة.
تمشيتُ في الشوارع و انتشيتُ بالشمس،
وجه الناس لم يغيره الفيروس…
مع الحفاض على مسافة الأمان:
اجتزتُ الامتحانات،
تعلمتُ الطبخ،
رُفض كتابي الأول ،
فكرتُ في الانتحار،
اشتريتُ بنطالا جديدا…
كنتُ أفعل كل شيء و لا أفعل شيئاً…
هذا العالم يتفسخ مثل جثة،
هذا العالم يسقط حَجَرًا بعد حَجَر،
يوما بعد يوم…
” لا تخف! سيعود كل شيء كما كان”
” الانسان قادر على التجاوز،
لقد تجاوز الطاعون ، الكوليرا، و الحرب العالمية
و العنصرية…
نحن أمام فيروس صغير…”
” اللقاح قادم…”
***
أريد أن أعرف فقط:
بعد كل هذا،
هل سيكون هذا أسوأ فيروس في التاريخ؟
أم أهم فيروس في التاريخ؟

محمد خلفوف/ المغرب.

 

© 2020 Mohamed Khalfouf, Fés, Marokko
(Nachdichtung und Redaktion: Sabine Schiffner)

 

 

Lockdown Lyrik 2.0. Wir hatten gehofft, dass es zu keinem zweiten Lockdown mehr kommen würde. Aber jetzt ist er angeordnet, der sog. »Wellenbrecher-Lockdown«. Er beginnt in Deutschland ab Montag, den 2. November 2020 – mit der Aussicht auf triste Herbst- und Wintertage. Grund genug für die Redaktion der Jahresschrift DAS GEDICHT, ihre vieldiskutierte Netz-Anthologie zur Corona-Krise vom Frühjahr 2020 wieder hochzufahren. Möge diese Online-Sammlung zur Pandemie uns allen einmal mehr dabei helfen, tief Luft zu holen und möglichst viele Aspekte der weltweiten Katastrophe mit dem Instrumentarium der Lyrik auszuleuchten, damit wir und unsere Leserinnen und Leser mental nicht unter die zweite Welle geraten!

Sabine Schiffner, Alex Dreppec, Fritz Deppert und Anton G. Leitner
 
PS: Alle bereits geposteten Folgen von »Lockdown-Lyrik! Quarantäne querdenken – etwas ernst zu nehmen heißt nicht, sich davon unterkriegen zu lassen« finden Sie hier. In loser, jedoch zügiger Folge wird die Sammlung erweitert.

 

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