Eingestreute Kritik: Das Herz, die alte Werbetrommel

 

„Ascheherz“ – der neue Gedichtband von Christoph Kleinhubbert

Ja, da steht sie breitbeinig da, die Programmatik eines Titels: „Ascheherz“ – da weiß man, was man hat. Was einst im Dienst der Liebe und des Lebens noch Goldrausch, Ungeduld, Glanz und Glut war, ist nun im Zeichen der Desillusion nurmehr Verblühtes, Erde, Staub und Asche und trägt damit alle Insignien des Todes. „Herz“ und „Asche“ sind auch zwei der drei Kapitel des neuen Gedichtbands von Christoph Kleinhubbert benannt und sie folgen damit ganz dem Prinzip einer plakativen Liebesdialektik mit These und Antithese. Dementsprechend offensiv und passionsgetrieben geht es in den Herzgedichten auch los. Da ist natürlich von „Bauch und Hügel“ die Rede, da steht etwas „in Flammen“, da bleibt man „für immer jung.“

Zugegeben, es sind schon Myriaden von Liebesgedichten geschrieben worden. Da ist es nicht immer leicht, eine neue Tonart anzuschlagen oder etwas noch nie Gesagtes zu Papier zu bringen. All das im Hinterkopf, ist man dennoch versucht zu denken, die Bilder in diesen Gedichten dürften aber wirklich ein wenig origineller sein. Und gerade, als der Autor dieser Zeilen das denkt, begegnet ihm unverhofft ein kurzes Gedicht wie „Sehnsucht“, dessen Titel Schlimmes befürchten lässt, das aber lautet: „Sie konnte / Eine Sehnsucht / In ihre Hände / Legen die ihm / Fremd war“ Sehnsucht ist hier eben nicht ein fernes Ziehen in der Herzgegend, sondern im wahrsten Sinne des Wortes etwas zum Anfassen. Aber nicht immer gelingt Christoph Kleinhubbert ein solcher Überraschungseffekt. Im zweiten Kapitel „Asche“ vermag gerade das Titelgedicht „Ascheherz“ nicht zu überzeugen: „Sie hatte im / Offenen Kamin / Feuer gemacht /“, so beginnt das Gedicht und dann hakt es brav die ganzen Wortfelder und Bildwelten ab, die man mit Herz und Kamin üblicherweise verbindet: Flammen, groß und heiß, Herz ausschütten, Asche etc. nach dem Motto: „unter der Asche ist noch Glut“ – das ist, obwohl es die Hitze des Geschlechts thematisiert, eher bieder, konventionell und erwartbar.

 

Neben 69 Gedichten enthält dieser schön aufgemachte Band auch 10 Illustrationen vom Michael Blümel. Sie bestehen aus feinen, filigranen Strichzeichnungen, die bisweilen erotische Motive andeuten und die farbigen Aquarellflecken überlagert werden und so plastische Kraft gewinnen. Parallel dazu gewinnt auch die Poesie von Christoph Kleinhubbert wieder an Prägnanz – und zwar mit dem dritten Kapitel „Verlangen“, das, folgt man weiter dem orthodoxen Dialektik-Prinzip, die Synthese sein müsste. Es besteht aus 20 in Blocksatz gesetzten Kurzprosastücken, die ohne Satzzeichen auskommen, aber vielleicht gerade aus diesen formalen Aspekten heraus eine dringliche Intensität entfalten. Natürlich geht es auch hier um die Liebe, um ihr Erscheinen und Verschwinden, aber sie wird hier als wirkstarkes poetisches Konzentrat verabreicht: „Noch regt sich das / Dagewesene Bis es gänzlich verstummt Die fortschrei- / tende Farblosigkeit verblassender Tinte eines alten / Briefes den du mir schriebst Zeitlupe des langsamen / Verschwindens Spurlosigkeit Gerade jetzt möchte ich / mit dir reden //“ Das hat Kraft, wenngleich das Adjektiv „langsam“ hier überflüssig ist, weil direkt davor die „Zeitlupe“ steht. Aber noch einmal das Mündliche betonen, bevor das Schriftliche verschwindet, das ist ein schöner Gedanke.

Ein weiteres Stück dieser feinen lyrischen Prosa arbeitet den Unterschied zwischen „Versprechen“ und „versprechen“ heraus: „Ein gegebenes Wort kann zerbrechen Was sagst/ du da Ich habe dein Wort und alles wird gut Und / nichts wird gut Aus der Schale deiner Hände habe / ich getrunken und alles wird gut und nichts wird gut /“. Am Ende dieses Stücks heißt es: „Doch / sage ich das bin ich und das bist du und was du für / mich bist das wüsste ich Ich habe dein Versprechen / Alles wird gut Dein Wort darauf //“. So ist es mit der Liebe: Mal gelingt sie, mal misslingt sie. Und so ist es auch mit diesen Gedichten. Aber was das Gute an dem Band von Christoph Kleinhubbert ist: Als Leser denkt man gerade, so oder ähnlich habe ich das schon mal gelesen, dann biegt man um die Ecke eines Umbruchs und rauscht in einen Satz, der überrascht, entwaffnet, anrührt, weil er eine tiefere Wahrheit enthält. Dieser Band kann mit einigen solcher Sätze aufwarten – und das ist mehr, als viele andere Gedichtbände heute von sich behaupten können.

Hellmuth Opitz

 

"Ascheherz - Gedichte" von Christoph Kleinhubbert
Buchcover-Abbildung (Verlag molokoplusrecords)

 

 

 

 

Christoph Kleinhubbert
Ascheherz, Gedichte
molokoplusrecords, 96 S., € 15,-

 

 

 

 

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