Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.
Unerwarteter Besuch
Ein Walross sitzt auf meinem Schoß.
Ich frage es: »Wieso denn bloß?«
Es guckt mich friedlich-freundlich an,
macht einen Rülps und sagt sodann:
»Zum Sitzen gibt’s in diesem Zimmer
nur diesen Stuhl. Und frei war nimmer
das wahrlich selt‘ne Möbelstück.
Zudem birgt Kuscheln echtes Glück.«
Ach so, na dann und recht besehen:
Zu zweit zu sitzen wird schon gehen …
Der Holzwurm
Ein Holzwurm nagte sich durchs Holz
und war aufs Nagen sichtlich stolz.
So sprach er mit geschwellter Brust:
»Der Holzfraß ist die reine Lust.«
Und nagte schnell und immer schneller
vom Dach hinab bis in den Keller.
Ließ keinen Balken aus und nagte
von abends spät bis wenn es tagte.
Und morgens, mittags nagt’ er weiter,
zernagte selbst die Bodenleiter.
Erst als er alles weggenagt,
da hat ihn große Schuld geplagt.
Wo soll ich denn jetzt weiter nagen?
Mir knurrt verflucht der Holzwurmmagen.
Schlaflied
Ein Einhorn hab ich mir gedacht.
Es schlief, drum stupste ich es an,
da ist es gleich von aufgewacht,
wir spielten wunderbar fortan.
Und als der Abend näher rückte,
da ritten wir zum Regenbogen.
Was mich dabei total entzückte:
Ein Stückchen sind wir gar geflogen!
Mein Einhorn schläft nun wieder fest.
Es ist im Land der Fantasie.
Was mich auch friedlich schlummern lässt,
so schnell und tief wie nie.
Beim Abreißen der Blütenblätter
Ich schreib ein komisches Gedicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib’ es nicht.
Ach, Mist!
Froschballade
Ein Frosch sitzt still an einem Teich,
die andren Frösche tun’s ihm gleich.
Sodann fängt er zu quaken an
und plötzlich quaken alle Mann.
Er denkt sich stolz: »Hier im Revier
bin ich der Boss, das Alphatier!«
Und quakt noch lauter als zuvor,
er ist ja Chef, nicht nur im Chor!
Doch, wer am Teich der Größte ist,
merkt auch ein Junge, und mit List
samt Keschernetz fängt er ihn ein,
setzt ihn in ein Terrarium rein.
Der Frosch bleibt, ohne Publikum,
für das er quakt, von jetzt an stumm.
Der Junge ist das schließlich leid:
»Du quakst nicht mal von Zeit zu Zeit!«
Er bringt den Frosch zum Teich zurück.
Der Frosch denkt sich: »Mann, was ein Glück!«
Und quakt aus Freude bald ganz laut
sowie damit sich niemand traut,
noch selber hier als Alphatier …
Der Teich ist schließlich sein Revier!
Er quakt echt herrlich, Stund um Stund
und geht alsbald daran zugrund.
Ein Storch bekommt so Appetit
und nimmt ihn im Vorbeiflug mit.
Der Frosch, er war der Chef am Teich,
ein andrer übernimmt sogleich.
Und zeigt durch lautes Quaken an,
dass er allein der Boss sein kann …
© Jan-Eike Hornauer
Jan-Eike Hornauer bezeichnet sich gern als leidenschaftlicher Textzüchter (freier Lektor, Texter, Autor und Herausgeber). Er ist in Lübeck geboren, in Hausen bei Aschaffenburg aufgewachsen und lebt heute in München. Seine ganze Leidenschaft gilt der Lyrik, seine Vorbilder sind u. a. Wilhelm Busch und Erich Kästner. Er liebt humoreske lange Balladen, auch für Kinder. Sein jüngster Gedichtband für Erwachsene trägt den Titel »Das Objekt ist beschädigt. Zumeist komische Gedichte aus einer brüchigen Welt« (muc Verlag, 2016). Hornauer ist auch Zweiter Vorsitzender des Münchner Künstlervereins »Realtraum«.
Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«
Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.