Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.
däi wolkn
däi wolkn dou oom
wemmä dou draffschreim könnäd
und wenns blouß ä wodd weäund aff di nächsd wolkn
widdä ä wodd
und su weidäbis aus däi wöddä
nouch und nouch
ä gedichd wirräddes am himml dähiizäichäd
bis vo selbä
widdä väschwindäd
die wolken
die wolken da oben
könnte man auf sie schreiben
und wärs auch nur ein wort
und auf die nächste wolke
wieder ein wort
und so weiter
bis aus den wörtern
nach und nach
ein gedicht würde
das am himmel dahinzöge
bis es von sich aus
wieder verschwände
dambf
wos willsdn mid di wolkn?
di ganz zeid hasdäs blouß middi wolgn
wos isn des scho? a wengä dambf
wos willsdn mid di wolkn?
dou hasd doch nix in da händ
dai zäing weidä und du bleibsd dou
dampf
was willst du denn mit den wolken?
du hast ja bloß noch wolken im kopf
was sind die schon? alles dampf
was willst du denn mit den wolken?
da hast du doch nichts in der hand
die ziehen weiter und du bleibst da
gedichte
gedichte senn wolkn
manchmall reengds aus innern raus
manchmall werd aus reeng schnäi
manchmall bleims ä weil hängä
dann zäings weidä
gedichte senn wolkn
manchmall loun sersi ned säing
dann is dä himml blau
gedichte
gedichte sind wolken
manchmal regnet es aus ihnen
manchmal wird aus regen schnee
manchmal bleiben sie eine weile hängen
dann ziehen sie weiter
gedichte sind wolken
manchmal lassen sie sich nicht sehen
dann ist der himmel blau
drei haikus
1
jede wolgn schaud anders aus
dou hasd di freie auswohl
greif zou: iich schenk dä anne
jede wolke sieht anders aus
du hast die freie auswahl
greif zu:ich schenk dir eine
2
di wolkn braung ka geld
di wolkn braung kann derminkalendä
di wolkn braung inn himml
die wolken brauchen kein geld
die wolken brauchen keinen terminkalender
die wolken brauchen den himmel
3
waddn bis di gedankn
in meim kubf wolkn werrn:
zouschauä wäis vobeizäing
warten bis die gedanken
in meinem kopf wolken werden:
zuschauen wie sie vorbeiziehen
im groos
wenni annerm schäinä dooch
im groos liich
und di wolgn am himml siich
binni aff amall
aa bei innern dou droom
und dann fangi oo zu draimä
obbä wenni aufschdäih
und widdä fesdn buudn
undä mei fäiß schbüä
is allers widdä vobei
di wolkn zäing weidä
im gras
wenn ich an einem schönen tag
im gras lieg
und die wolken am himmel seh
bin ich auf einmal
auch bei ihnen da oben
und dann fang ich an zu träumen
aber wenn ich aufsteh
und wieder festen boden
unter meinen füßen spür
ist alles wieder vorbei
die wolken ziehen weiter
© Fitzgerald Kusz
Fitzgerald Kusz lebt als Schriftsteller in Nürnberg, wo er auch geboren ist. Er schreibt Theaterstücke und Lyrik. Sein erfolgreichstes Stück „Schweig Bub“ brachte es am Nürnberger Theater in 34 Jahren auf 720 Aufführungen. Vor 50 Jahren begann er aus Frust über ein langweiliges Germanistikstudium, Gedichte zu schreiben. Die ersten machte er noch auf Hochdeutsch, doch immer mehr reizte ihn der Dialekt, in dem er in seiner Kindheit ganz selbstverständlich gesprochen hatte. Kusz sagt: „Der Dialekt bringt die Dinge zum Klingen. Sprache wird zur Musik.“ Bis heute hat er 15 Gedichtbände veröffentlicht, leider alle nur für Erwachsene. Für Kinder schreibt er Dialektgedichte, um Interesse zu wecken, dass es neben der offiziellen Standardsprache auch noch eine andere gibt, die einen eigenen Reiz, eine eigene Schönheit und Unverwechselbarkeit besitzt. Gedichte im Dialekt sind Lautgedichte, sie wollen vorgelesen werden. Nur so können sie ihre ganze Sprachkraft entfalten. Und zu seinen Gedichten über Wolken sagt er: „Ich schaue gerne den Wolken zu, die über den Himmel ziehen. Man kann dabei seinen Gedanken nachhängen, kommt unversehens ins Träumen. Die Wolken werden zu Gebilden der Phantasie. Sie bringen mich zum Abheben. Jetzt kann ein Gedicht entstehen …“
Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982), »Der Alltag des Fortschritts« (1996) und »Die Muße der Mäuse« (2018). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her«, im Frühjahr 2018 die Anthologie »Sieben Ziegen fliegen durch die Nacht« bei dtv Junior, die aus der Reihe »Gedichte für Kinder« hervorgegangen ist.
Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.