August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Ein Männlein steht im Walde
Ein Männlein steht im Walde
Ganz still und stumm,
Es hat von lauter Purpur
Ein Mäntlein um.
Sagt, wer mag das Männlein sein,
Das da steht im Wald’ allein
Mit dem purpurrothen Mäntelein?
Das Männlein steht im Walde
Auf Einem Bein
Und hat auf seinem Haupte
Schwarz Käpplein klein.
Sagt, wer mag das Männlein sein,
Das da steht im Wald’ allein
Mit dem kleinen schwarzen Käppelein?
gesprochen:
Das Männlein dort auf Einem Bein,
Mit seinem rothen Mäntelein
Und seinem schwarzen Käppelein,
Kann nur die Hagebutte sein!
Hinweis: Das Kinderlied August Heinrich Hoffmann von Fallerslebens von 1843 ist bis heute im deutschen Sprachraum praktisch allgemein bekannt, dabei wird allerdings oft lediglich die erste Strophe gesungen oder aber zwar auch noch die zweite, allerdings ohne ihren Wortlaut komplett zu beachten – so wird von vielen fälschlicherweise angenommen, es gehe um einen Fliegenpilz. Dieses Paradebeispiel aus der im 19. Jahrhundert üblichen Gattung des Rätselliedes jedoch besingt, wie seine ab der zweiten Auflage (von 1860) der fünfzig Kinderlieder von August Heinrich Hoffmann von Fallerslebens am Schluss zu sprechende Auflösung auch eindeutig zeigt, jedoch die Hagebutte.
Hans-Werner Kube fühlte sich nun in diesem Frühjahr durch einen einsam stehenden Protestler für Julian Assange an das Kinderlied erinnert – und hat ihm einen ganz zeitgenössischen und hochpolitischen Dreh verpasst. Weltweit ist das Protestieren für den WikiLeaks-Gründer übrigens alles andere als einzigartig: Es wollen zahlreiche Privatpersonen, Aktivisten und Nichtregierungsorganisationen auch über zehn Jahre nach der Veröffentlichung geheimer Militärdokumente via WikiLeaks, die Bradly Manning übermittelt hatte und die u. a. Massaker durch US-Militärs in Irak und Afghanistan belegen, jene hoch wichtigen demokratisch-rechtsstaatlichen Grundfragen nicht verdrängt wissen, die sich im Zusammenhang mit dem Fallkomplex Julian Assange, Bradly Manning und WikiLeaks ergeben. Unter dem Schlagwort »Free Assange« gibt es weltweit immer wieder Protestaktionen. Das Handeln der Staaten, ihrer Institutionen und der Gesamtgesellschaften insbesondere in der westlichen Welt, die ihre Werte ja immer betont, wiederum passt zu dem Motiv des alleinstehenden Männleins – und zu seiner immanenten Hilflosigkeit. Gleiches gilt für die faktische Isolation von Assange selbst. Am 3. Juli wird er 50, seit mehr als einem Jahrzehnt ist er von der Welt weitestgehend abgeschnitten.
sehr schönes eindringliches Gedicht!